»Mehrausgaben gehen nicht, kalte Synagoge geht auch nicht, was soll man tun?« Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen steht vor einem Problem, wie viele andere Gemeinden derzeit auch. Der Winter kommt außergewöhnlich früh und mit Schnee und Minusgraden. Gespart wird in der Ruhrgebietsstadt an den Nebenkosten. »Es muss allerdings alles so gestaltet werden, dass man in dem Gebäude auch noch leben kann.«
Nach Büroschluss werden deswegen die Heizungen so weit heruntergefahren, dass nichts einfrieren kann, aber eben auch nicht unnötig Energie verschwendet wird. »Die Hausmeister kontrollieren regelmäßig nach, dass dies auch wirklich überall der Fall ist«, erklärt Neuwald-Tasbach.
Wäremesysteme Weit schwieriger sei es jedoch, die Temperatur im Gebetsraum zu regeln. »Dort haben wir eine Fußbodenheizung, die zwar für ein angenehmes Raumklima sorgt, jedoch weit träger reagiert als die normalen Heizkörper beispielsweise im Verwaltungstrakt.« Und um ein optimales Ergebnis zu erzielen, schon viele Stunden vor dem Gottesdienst hochgefahren werden muss. »Wenn wir es um 16 Uhr 30 zum Gottesdienst am Freitag warm haben wollen, müssen wir schon am Freitagmorgen oder Donnerstagabend mit dem Heizen anfangen.«
Hohe Räume fräßen eben sehr viel Energie, konstatiert Neuwald-Tasbach, aber andererseits sei es angesichts der vielen Aktivitäten und Gruppentreffen im Gemeindehaus nicht möglich, die Räume einfach nicht zu beheizen. Vor allem Senioren hätten es schließlich »gern muckelig warm, und Kinder kann man auch auf keinen Fall im Kühlen spielen lassen.«
Sich über die kalte Jahreszeit aufzuregen, bringe doch gar nichts. »Wir leben nun einmal in diesen Breitengraden und da gehören Eis und Schnee dazu. Früher, in meiner Kindheit, waren die Winter alle so kalt«, sagt Neuwald-Tasbach. »Wir sind solche Temperaturen durch die vielen milden Winter einfach nicht mehr gewöhnt – jede Zeit hat doch ihren Reiz, man muss ihn nur annehmen, der blaue Himmel und die klare Luft sind doch wunderschön.«
Wie hoch die Mehrkosten waren, die der letzte kalte Winter verursacht hat, kann man in den meisten Gemeinden aus abrechnungstechnischen Gründen noch nicht sagen, auch in Köln ist man, wie Benzion Wieber, Geschäftsführer der dortigen Synagogen-Gemeinde, sagt, »noch nicht in die Zahlen eingestiegen«. Die Gebäude müssten aber so oder so geheizt werden, gibt sich Wieber gelassen. »Wir haben in Köln eigentlich immer harte Winter, so dass wir beispielsweise auch immer die Wege streuen müssen. Und das geschieht nun eben alles ein paar Tage früher.« Minus 12 Grad habe man Anfang Dezember schon verzeichnen müssen, »durch solche Temperaturen verursachte kleinere Einschränkungen wie Verspätungen der Mitarbeiter muss man einfach hinnehmen. Den Rest hat unsere Hausverwaltung bisher immer ausgesprochen gut gemeistert.«
Umsicht Dafür, dass die Beter in der Synagoge nicht frieren, sorgt aber nicht nur die Heizung, sondern auch die »Umsicht unserer Urväter, die 1959 bei der Wiedereinweihung des Gotteshauses für gepolsterte Stuhlreihen sorgten.« Diese warmen Sitzgelegenheiten sind »alle noch im Original vorhanden und stehen mittlerweile unter Denkmalschutz«, sagt Wieber ein bisschen stolz. »Hin und wieder müssen sie natürlich aufgepolstert werden.«
Auch in Dresden sitzt man in der Synagoge trotz zweistelliger Minusgrade im Warmen. »Unsere Bänke sind zwar nicht gepolstert, aber sie haben Filzauflagen, und außerdem erwärmt sich Holz ja doch realativ schnell«, erklärt Heinz-Joachim Aris, Geschäftsführer der Gemeinde. Polsterauflagen wären natürlich besser, »aber dafür ist einfach kein Geld da. Immerhin haben wir ja Fußbodenheizung, und durch das Gebläse unter den Bänken werden die Sitzgelegenheiten erwärmt.«
Herausforderung Gleichwohl seien harte Winter eine große Herausforderung. »Man kennt das ja, erhöhte Kälte bringt erhöhte Heizkosten mit sich.« Im Innenraum seien letztens »obwohl die Heizung lief« zwischen sechs und sieben Grad gemessen worden. »Das geht natürlich nicht.« Die Heizkosten seien eine »echte Belastung, aufgrund der Art und der Höhe des Gebäudes«, denn die ungedämmten Steine speicherten zwar Wärme sehr lange, aber andererseits strahlen sie im Winter nach innen Kälte ab. Gespart werden könne zwar »immer irgendwie, aber das Geld langt ja so schon vorne und hinten nicht, und der Normalbetrieb muss ja aufrechterhalten werden.«
Geheizt werden müsse einfach, sagt der Geschäftsführer. »Denn das Gebäude wird intensiv genutzt. Und außerdem haben wir von sonntags bis donnerstags immer viele Führungen und Besuche von Schulklassen. Da kann man nicht einfach die Heizung ausstellen.« Und auch in der Gemeinde an der Elbe spielt das Alter ihrer Mitglieder eine wichtige Rolle. Mehr als 50 Prozent der Dresdner Juden sind über 60 Jahre alt. »Gerade ältere Leute nutzen unser Gemeindezentrum gern – in warmen wie in kalten Zeiten.«