Nach den Wahlen

»Manche machen Witze über uns«

Daniel Uciteli über junge AfD-Wähler in Ostdeutschland, das Projekt »Meet a Jew« und Besuche an Schulen

von Christine Schmitt  05.09.2024 07:16 Uhr

Daniel Uciteli Foto: privat

Daniel Uciteli über junge AfD-Wähler in Ostdeutschland, das Projekt »Meet a Jew« und Besuche an Schulen

von Christine Schmitt  05.09.2024 07:16 Uhr

Herr Uciteli, Sie leben in Leipzig und sind als Freiwilliger an Schulen unterwegs bei dem Projekt »Meet a Jew«, das Begegnungen zwischen Juden und Nichtjuden organisiert. Wie erklären Sie sich, dass bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen auch viele junge Menschen für die AfD gestimmt haben?
Einerseits ist da der generationenübergreifende Rechtsruck, von dem auch die Jugend betroffen ist. Und andererseits ist die AfD viel stärker als alle anderen Parteien in den sozialen Medien aktiv. Da findet man viele Trends, die sehr rechts und äußerst toxisch sind. Zum Beispiel ist seit einigen Jahren ein Zuwachs an Trends von »echten Männern« und toxischer Maskulinität zu bemerken. Dem hat sich die AfD angeschlossen und dadurch auch Jugendliche angesprochen. Da es in den sozialen Medien sehr wenig Regeln und kaum Grenzen gibt hinsichtlich dessen, wozu gepostet werden kann, haben sie quasi einen freien Spielraum.

Welche Stimmung ist Ihnen bei Ihren Einsätzen für »Meet a Jew« unter den jungen Wählern aufgefallen?
In letzter Zeit gab es bei mir wenige Einsätze, deshalb bin ich mir da nicht sicher. Aber in Schulen, an denen ich war, fiel mir der Vandalismus auf. Es gab etliche Parolen und Nachrichten, die eher ins rechte Spektrum fallen, was eben auch Antisemitismus, Sexismus und Rassismus betrifft.

Haben Sie den Eindruck, dass die Schüler rechtsextrem sind und sich trotzdem für das Judentum interessieren?
Das glaube ich tatsächlich nicht. Es gibt Leute, die gar nichts von uns wissen möchten und dann entweder bewusst weghören und kein Interesse haben, da zu sein, wenn wir berichten. Andere nehmen unsere Ausführungen gar nicht ernst und machen daraus Witze, was eigentlich eine noch schlimmere Reaktion ist, weil es die Geschichte und das Leid des Judentums verharmlost.

Gab es denn nicht auch andere Reaktionen von den Jugendlichen?
Doch. Ich erinnere mich an eine Klasse, in der einige Schüler interessiert waren und Fragen gestellt haben. Aber es gab auch einen nicht kleinen Teil, der keine Lust hatte. Als gefragt wurde, ob jemand noch Fragen hat, sagte eine Person ganz laut: »Bitte nicht.«

Wie ist jetzt nach den Wahlen die Stimmung in der jüdischen Community in Sachsen?
Ich würde sagen, angespannt, aber in dem Sinne, dass wir in so einer Krisenzeit im politischen Raum zusammenhalten sollten. Es herrscht auch eine allgemeine Vorsicht. Man muss in der Öffentlichkeit aufpassen. Es wird mehr als sonst darüber geredet, wie man politisch zusammenhalten und aktiv werden kann als jüdische Gemeinde, als jüdische Person, auch als Individuum. Es wird debattiert und diskutiert, was man vielleicht auch von jüdischer Seite nun tun kann, um diesen Rechtsruck zu stoppen – oder wenigstens aufzuhalten.

Mit dem Freiwilligen des Projekts »Meet a Jew« sprach Christine Schmitt.

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025