Bei dem jüdisch-muslimischen Dialogprojekt des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schalom Aleikum, ging es am Dienstag in Berlin sportlich zu. Der Sport könne Menschen zusammenbringen und verbinden, aber bedauerlicherweise gebe es eben auch im Sport Antisemitismus und Ausgrenzung, begrüßt Vizepräsident Mark Dainow die Diskussionsrunde.
Die Förderung des jüdisch-muslimischen Dialogs sei eine unverzichtbare Aufgabe, und das auch während der Corona-Pandemie, betont Dainow. »Wie wir alle wissen, machen Antisemiten und Rassisten auch in Krisenzeiten keine Pause, im Gegenteil, sie werden aktiver und ihre Verschwörungsmythen immer perfider. Den Dialog fortzusetzen und für eine solidarische Gesellschaft zu kämpfen, ist unser Spiel.«
Mit der Basketballerin Beyza Genc und dem Fußballer Leonard Kaminski waren zwei Berliner Sportler eingeladen. Beyza Genc war mit elf Jahren zum Basketball gekommen. Fünf Jahre lang trainierte sie Kinder bei den Berlin Tigers. Mittlerweile spielt sie beim BG Zehlendorf in der Regionalliga und arbeitet als Erzieherin in einer Neuköllner Grundschule. Leonard Kaminski spielt bei Makkabi Berlin, wo er 2015 die 3. Herrenmannschaft gründete. Bei Makkabi Deutschland betreut er die U18-Mannschaft und arbeitet als Politikberater.
Identifikation »Fiebert ihr eigentlich für Deutschland?«, stellt Moderatorin Gabriela Hermer eine Frage, die beide vermutlich schon oft gehört haben. Natürlich, sie sei in Deutschland aufgewachsen, sagt Beyza Genc, nur wenn gegen die Türkei gespielt werde, sei sie eher für die Türkei, »weil meine Eltern dort herkommen«. »Meine Eltern kommen zwar nicht aus einem anderen Land«, als deutscher Jude habe man jedoch noch einmal eine andere Identität, antwortet Leonard Kaminski.
Rassismus aber kennen beide. Gleich das zweite Spiel der 3. Makkabi-Mannschaft begann mit antisemitischen Angriffen. Es wurde abgebrochen und die Polizei gerufen. Auch der vierte Spieltag endete mit einem Abbruch, schildert Kaminski. Aber kommen die meisten antisemitischen Angriffe nicht von Muslimen?, will die Moderatorin wissen.
»Natürlich gibt es auch in muslimisch geprägten Communitys ein Problem mit Antisemitismus«, der kulturell vielleicht anders geprägt sei als der aus dem rechts- oder linksextremen Lager, sagt Kaminski. »Aber die Trennlinie sollte nicht zwischen Muslimen und Juden, Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund verlaufen, sondern zwischen denen, die Dialog und Verständigung wollen, und denjenigen, die die demokratischen Werte unseres Landes nicht teilen.«
kopftuch Ob sie als Sportlerin schon Diskriminierung erlebt habe, lautet eine Frage an Beyza Genc. Eigentlich nicht, sagt sie, »vielleicht wäre das anders, wenn ich ein Kopftuch tragen würde«. Bei Spielen sei es aber durchaus vorgekommen, dass schwarze Spieler von gegnerischen Fans, Eltern, Trainern beleidigt worden seien. »Da fragt man sich schon, was mit den Leuten los ist, wenn sie im eigenen Team auch schwarze Spieler haben und dann gegenüber anderen solche Sprüche machen.« Auf Beleidigungen im Alltag reagiere sie eher mit Lachen. »Man zeigt damit, dass es einen nicht interessiert. Lachen und Weitergehen halte ich für eine gute Antwort.«
Um Werte zu vermitteln, darin sind sich alle einig, gebe es fast nichts Besseres als den Sport.
»Wie gingen eigentlich die muslimischen Spieler mit Angriffen und Beleidigungen um?«, wird Leonard Kaminski gefragt. »Wie wir, man hat sich persönlich angegriffen gefühlt«, berichtet er, denn wenn man mit einem Makkabi-Trikot aufs Spielfeld geht, »dann identifiziert man sich natürlich auch damit«.
rassismus Um Werte zu vermitteln, darin sind sich alle einig, gebe es fast nichts Besseres als den Sport. Warum aber scheint das Problem Rassismus besonders im Fußball so besonders groß zu sein? »Fußball ist ein Spiegel der Gesellschaft«, sagt Leonard Kaminski. Und wie kann ein Trainer im Alltag Diskriminierung und Ausgrenzung bekämpfen? »Ganz einfach«, antwortet Kaminski und lacht, »Punkt eins: sich ein Beispiel an Beyza nehmen.«
Im Übrigen verweise er gern auf das Projekt »Meet a Jew« des Zentralrats, wo junge jüdische Deutsche zu Botschaftern des jüdischen Lebens ausgebildet werden. Oft entstehe Antisemitismus dort, wo man gar keine Juden kenne. »Meet a Jew« bietet auch Sportvereinen die Möglichkeit, junge Juden einzuladen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Zusammenhalt Aber entstehe durch Sport wirklich die Chance, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenkommen, fragt Gabriela Hermer zum Schluss. »Ja«, antwortet Beyza Genc, »man braucht ja nicht einmal die gleiche Sprache zu sprechen, um zu wissen, wie ein Spiel funktioniert.«
In einem Multikulti-Team wie Makkabi Berlin werden »Unterschiede als interessant wahrgenommen«, sagt Leonard Kaminski und erzählt von einem Erlebnis auf dem Platz: »Wir traten gegen ein Team mit arabischstämmigen Spielern an«, viele hätten lange Bärte getragen, wie man sie automatisch oft Islamisten zuordne.
»Sie haben uns zwar spielerisch extrem auseinandergenommen, aber es war ein sehr respektvoller Umgang miteinander – man hat sich immer gegenseitig aufgeholfen. Man darf einfach nicht pauschalisieren!«