Die Idee, die mehr als 1000 Kinder zu kleinen Künstlern machte, kam Grischa Judanin (31) auf der Fahrt zu seinem derzeitigen Arbeitsplatz. Er ist für die Stadt München im »Impfzentrum Riem« tätig. Die triste Stimmung, die der graue Zweckbau auf seine Besucher ausstrahlte, wollte ihm nicht mehr aus dem Kopf gehen. Doch ebendiese Atmosphäre ist dank Judanins Initiative inzwischen Vergangenheit.
Mit dem Sender »Radio Gong« fand der Mediziner auf Anhieb den richtigen Partner zur Umsetzung des ambitionierten Projekts. Sein Plan, das Impfzentrum von Kindern in ein Farbenmeer verwandeln zu lassen, stieß bei den Verantwortlichen sofort auf Begeisterung. Im Handumdrehen riefen sie alle zum Mitmachen auf.
motto Wie stellt ihr euch die Zeit nach Corona vor? Dieses Motto war die einzige feste Vorgabe. Sie ließ den Kindern beim Malen große Freiheiten, die sie denn auch vollumfänglich nutzten. »Es ist wirklich unglaublich, welchen Ideenreichtum und welche Kreativität sie entwickelt haben«, freut sich Grischa Judanin über die bunten abwechslungsreichen Bilder. Trotz allem kann er es kaum fassen, dass sich so viele von seiner Idee spontan angesprochen fühlten.
Zahlreiche Mitarbeiter des Impfzentrums waren ebenso wie er selbst als Gestalter und Dekorateure gefragt. Die langen schmucklosen und eintönigen Gänge, in denen die Besucher auf ihre Impfung warten, verwandelten sie mit den kleinen Kunstwerken in eine zum Teil futuristische, vor allem aber rundum bunte Bilderwelt. Am meisten freuen sich alle Beteiligten, dass ihr Anblick wirklich jedem ein Lächeln ins Gesicht zaubert.
Auch Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, ist von der Initiative und der überschwänglichen Reaktion der Kleinen angetan. »In diesen schwierigen Zeiten ist dies wirklich ein tolles Zeichen, das die Kinder durch ihre Bilder setzen. Sie vermitteln dadurch ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, aber auch Hoffnung und Zukunft«, beschreibt sie die Wirkung der Aktion, die Grischa Judanin ins Leben gerufen hat.
medizinstudium Judanin ist Mitglied der Israelitischen Kultusgemeinde und fühlt sich als richtiges »Münchner Kindl«, auch wenn er in Moskau geboren wurde. »Ich war noch ganz klein, als ich mit meiner Familie hierherkam, und habe meine ganze Kindheit und Jugend in München verbracht«, blickt er zurück. Dazu gehörte auch der Besuch des Kindergartens und der Sinai-Schule. Später folgte ein Medizinstudium.
Für den jungen Arzt war es eine »große Ehre«, seine Großmutter impfen zu dürfen.
Grischa Judanin war einer der ersten Ärzte, der nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie der Stadt seine Dienste anbot. Seine persönlichen Erfahrungen dürften dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Der Großvater seiner Frau war nur wenige Wochen vor der gemeinsamen Hochzeit an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben. Und die Hochzeit selbst konnte wegen der starken Beschränkungen nur im kleinsten Familienkreis gefeiert werden.
Wie sein Dienst an den einzelnen Tagen jeweils aussieht, ob er im Impfzentrum tätig ist oder außerhalb des Hauses eingesetzt wird – beispielsweise im Altenheim –, entscheidet sich jeweils bei einer Besprechung am Morgen.
Ein Impfeinsatz hat ihn emotional besonders tief bewegt. Die eigene Großmutter gehörte zu seinen »Kunden«. »Sie zu impfen, war für mich eine große Ehre«, sagt er.
engagement Judanin ist stolz darauf, Teil des Teams im Riemer Impfzentrum zu sein. »Es ist wirklich beeindruckend«, sagt er, »mit welchem Engagement nicht nur die Ärzte, sondern wirklich alle hier arbeiten.« Selbst Mediziner im Ruhestand stellten sich für den nicht ganz risikolosen Impfdienst zur Verfügung, erzählt Judanin.
Angesichts der nur relativ langsam steigenden Impfzahlen in Deutschland wirft Grischa Judanin einen »neidischen« Blick auf Israel, wo bereits ein großer Teil der Bevölkerung geimpft wurde. Auch wenn er mit Rücksicht auf den hohen bürokratischen Aufwand, der jede einzelne Impfung in Deutschland begleitet, seine Skepsis nicht ganz verbergen will, hofft er auf mehr Impfstoff. Und so lautet seine Bilanz: »Unsere Kapazität in Riem ist bei Weitem noch nicht ausgeschöpft.«