Reise

Malabi, Kibbuz und Schabbat

14 Studentinnen und Studenten zwischen 16 und 25 Jahren konnten im sogenannten YouthBridge-Projekt der Europäischen Janusz Korczak Akademie Israel kennenlernen. Zusätzlich fand anlässlich des Terroranschlags bei den Olympischen Spielen in München vor 50 Jahren erstmals eine Gedenkzeremonie für die Opfer statt. Wir haben hier eine Auswahl ihrer Tagebucheinträge zusammengestellt.

Jonas Emrich Heute stand einer meiner ganz persönlichen Höhepunkte unserer Reise auf dem Programm. Wir besuchten gemeinsam den Kibbuz Masarik. Es war sehr interessant zu sehen, wie die dort lebenden Menschen versuchen, ihre sozialistischen Ideale mit der Realität eines marktwirtschaftlichen Israel zu vereinen. Ausdruck dieses Spagats ist die aktuelle Vereinbarung, dass die dort lebenden Mitglieder des Kibbuz außerhalb arbeiten dürfen, jedoch die Gehälter innerhalb der Gemeinschaft so verteilt werden, dass niemand mehr als zweimal so viel verdient wie die Person mit dem niedrigsten Gehalt. Dies stellt eine beträchtliche Umverteilung im Sinne der gemeinschaftlichen Solidarität dar. In Zeiten wachsender Ungleichheit und sinkender Kaufkraft, durch die Inflation, scheint mir die im Kibbuz vereinbarte Begrenzung der Gehaltsunterschiede ein wichtiger Denkanstoß zu sein. Wie sollen wir als Gesellschaft auf die steigende Konzentration von Reichtum reagieren?

Lavinia Rath In der alten Stadt Akko trafen wir Tina, eine arabische Unternehmerin, und ihren jüdischen Geschäftspartner Mosche. »Malabi« heißt das Gericht, das wir bei ihnen gegessen haben, puddingartig, Milch, Sahne, Obst, Rosenwasser. Als Tina einst gemerkt hat, dass in Israel eine falsche Version dieses Gerichts angeboten wird, begann sie ihr Geschäft. Das Inspirierende an Tina: Nach ihrer Scheidung war sie zwar am Boden, sie hat sich aber mithilfe des Geschäfts ihres Vaters wieder gefangen. Sie hat das Geschäft wiedereröffnet. Als alleinerziehende Mutter mit drei Söhnen betrat sie die Welt der Geschäftsleute, was für sie eine riesige Herausforderung war. Doch Tina war schon als Kind stark. Mit 14 hat sie für sich beschlossen: Ich bin eine Weltbürgerin. Diese Menschlichkeit spürte ihr Geschäftspartner, als sie während der Aufstände in Akko an seiner Seite stand. Dass eine Muslimin einen Juden unterstützt, rief Unverständnis hervor, doch für Tina kommt vor der Religion immer der Mensch. Woraus zieht sie ihre Kraft? (…) Eine bemerkenswerte Frau, die uns allen Mut gegeben hat und zu den besten Vorbildern gehört, die wir als Leader von morgen haben können.

Beyza Öztürk Beduinen, Tscherkessen, Drusen – schon mal von ihnen gehört? Höchstwahrscheinlich nicht, aber das ist kein Problem (mir ging es genauso). Und jetzt habt ihr die Ehre, sie kennenzulernen! An der ersten Station, den Beduinen, angekommen, hieß uns die Familie Shibli herzlich willkommen. Sie gehört zu den 200.000 Beduinen, die in Israel leben und eine arabische (und mehrheitlich) muslimische Minderheit bilden. Die Familie stellte uns die fünf Säulen des Islam vor und erläuterte, wie die Säulen ihre aufgeschlossene Community prägen. (…) Bei unserem nächsten Halt, den Tscherkessen, wurden wir ebenfalls sehr freundlich von Davud Shabsi empfangen. Sein Vortrag hat sich wie der Eintritt in eine neue Welt angefühlt – mein persönliches Highlight des Tages! Wir haben ihm die Faszination für seine Kultur an seinem strahlenden Gesicht abgelesen. Von den vier Millionen Tscherkessen weltweit leben nämlich nur 4000 in Israel. Neben all den interessanten Ess-, Tanz- und Flirttraditionen fand ich besonders ihre Sprache Tscherkessisch sehr interessant! Sie hat nämlich ganze 64 Buchstaben. Sie ist bekannt für ein einzigartiges Flair aufgrund ihrer Ambiguität und Metaphern. (…) Zum Schluss waren die Drusen an der Reihe. Ungefähr 125.000 von ihnen leben in Israel. Dabei handelt es sich um eine arabischsprachige Religionsgemeinschaft im Nahen Osten, die im frühen 11. Jahrhundert in Ägypten als Abspaltung der ismailitischen Schia entstand. Sie beten zweimal in der Woche und haben fünf wichtige Propheten. Zum Religionsverständnis der Drusen gehören Konzepte der Seelenwanderung, Reinkarnation und parallele Welten – für jemanden vielleicht das Nachlesen wert? Beduinen, Tscherkessen, Drusen. Drei unterschiedliche Minderheiten, die in Israel leben. Trotz ihrer vielfältigen Traditionen und Kulturen vereint sie eines: das Streben nach einem friedlichen Leben, das leckere Essen (…) und ihre Gastfreundlichkeit!

Daniela Schreib Eine wirklich besondere Erfahrung war der Schabbat, den wir am Freitagabend mit der Beth Shalom Gemeinde in Tel Aviv gefeiert haben. Die Atmosphäre war einfach wunderschön, voller Glück und Gesang. (…) Bei dem Gottesdienst waren auch Personen aus den USA und Kanada dabei. Besonders schön war, als der Rabbi aus Tel Aviv mit einer Rabbinerin aus einer amerikanischen Gemeinde gebetet hat.

Glory Pierrette Das Haus Rutenberg in Haifa auf dem Karmel-Berg hat uns empfangen – ein Ort der Begegnung und des Austausches für Menschen aller Kulturen. Jener Mensch, nach dem das Haus benannt ist, Pinhas Rutenberg, war Zionist – ein Philanthrop, der sein Leben der Entwicklung Israels gewidmet hat. Dass ihm die Jugend besonders am Herzen lag, haben wir als Jugendliche sehr gespürt. Pinhas Rutenberg hat einen Teil seines Vermögens der Jugendbildung vererbt. Und er hat sich stets dafür eingesetzt, Brücken nach Deutschland zu bauen. Silvie Behm leitet das FSJ-Programm im Rutenberg-Institut schon seit 30 Jahren. Sie ist eine Legende für Hunderte junge Menschen, die ihr Freiwilliges Jahr in Israel absolvieren. Wir bedanken uns bei ihr ganz herzlich für die Gastfreundlichkeit und die spannenden Einblicke.

Kevin Kröger Der Tag in Yad Vashem war für mich ein ganz besonderes Highlight unserer Woche in Israel. Warum? Weil bei dieser Holocaust-Gedenkstätte das Gedenken an die unzähligen Opfer der Schoa im Mittelpunkt steht. Das Thema Holocaust konfrontiert Jugendliche spätestens in der Oberstufe. (…) Die Vergangenheit hingegen an einem für das Judentum so immanent wichtigen Ort wie Jerusalem zu hören, von einem authentischen Guide mit persönlicher Bindung zum Thema, löste in mir ein völlig unbekanntes Gefühl aus. Ein Gefühl der Verbundenheit und Verantwortung, ein Gefühl der Ehrfurcht und Demut gegenüber den Opfern der Schoa – Männern, Frauen und Kindern, die schlichtweg aus niedersten Beweggründen auf ihren Glauben und Lebensstil reduziert, diskriminiert, verfolgt und systematisch ermordet wurden. Yad Vashem hält ihre Erinnerungen auf so vielen verschiedenen Ebenen, mit so viel Leidenschaft und Detailtreue aufrecht. (…) Mein Appell: Wir können nicht mehr verhindern, was passiert ist, schließlich können wir Vergangenes nicht mehr ungeschehen machen. Vielmehr sehe ich unsere und jede weitere Generation in der Verantwortung, sich der Grausamkeit des Holocaust und der Nazis bewusst zu werden und dafür zu kämpfen, dass es nie wieder zu so einem Verbrechen an der Menschheit kommt. Zu wissen, was passiert ist, um zu begreifen, was passieren kann – damit es nie wieder passiert!

Forschung

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