Die Jüdische Gemeinde zu Dresden ist seit dem 17. Februar 2011 online.» Dieses Datum kennt Kai Lautenschläger auswendig. Denn immerhin waren mehr als zehn Jahre Überzeugungsarbeit erforderlich, um den Vorstand der Gemeinde zu einem Internetauftritt zu bewegen. Der hatte vor allem Sicherheitsbedenken: «Sie hatten Angst, dass sie keine Macht mehr über die Informationen haben, die sie online stellen, oder dass Rechtsradikale die Seite manipulieren», erinnert sich Lautenschläger, der sich um die Administration des Internetauftritts kümmert.
Inzwischen ist die Kritik verstummt. «Die Leute, die gegen die Seite sind, schauen sie sowieso nie an. Deshalb meckern sie auch nicht.» Rund 1.000 Besucher gibt es monatlich. Am häufigsten werden die Terminankündigungen angeklickt. Immer mehr jüdische Gemeinden gehen ins Netz. Sie stellen sich und ihre Geschichte vor, kündigen Gottesdienste und Veranstaltungen an, informieren über ihre Angebote von Seniorenkreis bis Kindergarten, rufen zu Spenden auf und bieten Informationen zum Judentum. Manche stellen auch Presseberichte und Newsletter zur Verfügung.
Viele Gemeinden haben die Ambition, Informationen oder Kommentare zu aktuellen Themen einzustellen, zum Beispiel zum Kölner Beschneidungsurteil. «Solche Informationen sind für alle Besucher unserer Website wichtig. Schließlich lebt das Medium von der Aktualität», betont Lisa Limorenko, die den Online-Auftritt der Gemeinde in Chemnitz betreut. «Man könnte noch viel mehr machen, aber es fehlt an Zeit und freiwilligen Helfern», fügt sie bedauernd hinzu.
aktualität Damit legt die Gemeindeangestellte, die die Website in ihrer Freizeit pflegt, den Finger in die Wunde: Es reicht nicht, einen Internetauftritt zu haben, man muss ihn ständig aktualisieren. Und dafür fehlen oft die Kapazitäten und teilweise auch das Know-how. «Unsere Seite muss in einer Programmiersprache bearbeitet werden. Es ist sehr schwer, Leute dafür zu finden», erklärt Alexander Korolev von der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg. Die fehlende Unterstützung merkt man einigen Seiten an, auf denen veraltete Informationen herumspuken.
Gemeindemitglieder, die Berichte einstellen, Gremien, die sich vorstellen, oder gar einen Blog – das wünscht sich Lautenschläger für die Website der Dresdner Gemeinde. «Das Internet ist ein Medium der Beteiligung. Aber diese Möglichkeit wird bisher kaum genutzt», obwohl es bei den Dresdnern sogar einen eigenen Menüpunkt «Diskussion» gibt.
Das Problem ergibt sich auch aus der Altersstruktur in den Gemeinden. «Wer noch mit handschriftlichen Bulletins aufgewachsen ist, versteht nicht, was mit Informationen im Internet passiert», so Lautenschläger. Dabei sei das Internet gerade für weniger mobile Senioren ideal, um auf dem Laufenden zu bleiben. Damit auch die ältere Generation sich den neuen Medien zuwendet, gibt es in der Chemnitzer Gemeinde Computerkurse für Senioren.
Sprache Ein weiteres Handicap ist die Sprache. Das Gros der Websites gibt es nur auf Deutsch – für russischsprachige Ge- meindemitglieder ein unüberwindliches Hindernis. «Der Aufwand ist zu groß, die deutschen Inhalte zu übersetzen», räumt Limorenko ein. In Augsburg hat man hingegen eingesehen: Wir brauchen eine russische Variante. Demnächst geht sie online.
Wer die Dresdner Gemeinde im Internet besucht, kann sich in fünf Sprachen informieren. «Doch so toll, wie das aussieht, ist es leider nicht», bekennt Lautenschläger. Aktuell sind nur die deutsche und die englische Version. Das einzige Iwrit sprechende Gemeindemitglied kümmert sich um den hebräischen Text – seitdem bekommen die Dresdner sogar Klicks aus Israel. Doch ausgerechnet die Russisch-Variante hinkt hinterher. Die Menüpunkte sind zwar übersetzt, nicht aber die aktuellen Inhalte, denn es findet sich niemand, der die deutschen Texte aktuell übersetzt. «Das ist peinlich, bei mehr als 90 Prozent russischsprachigen Gemeindemitgliedern».
Einige kleine Gemeinden haben in Sachen Internetauftritt Nachholbedarf. Immerhin finden sich die wichtigsten Fakten zu allen Gemeinden auf der Seite des Zentralrats der Juden und mitunter etwas ausführlicher auf den Internetseiten der Landesverbände. Zum Beispiel können über die Website der Jüdischen Gemeinden in Hessen (LVJGH) auch Gemeinden wie Limburg-Weilburg, Fulda oder Hanau Neuigkeiten online stellen.
Während manche noch auf die Premiere im World Wide Web warten, basteln andere schon am Relaunch, zum Beispiel die Leipziger. In sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter sind jedoch die wenigsten Gemeinden präsent, zu ihnen gehört die Dresdner Gemeinde. Sie hat eine Facebook-Seite, eine geschlossene Gruppe für das Projekt «Young & Jewish in Dresden» und sogar eine für den Friedhof.
«Seit wir bei Facebook sind, ist die Nutzerzahl des Gemeindeseite im Internet nochmal deutlich gestiegen», berichtet Valentina Marcenaro, die sich um die Facebook-Auftritte kümmert. Das soziale Netzwerk sei für junge Leute die «Eintrittskarte» zur Gemeinde.