Rund 10.000 Menschen haben am Samstag in Magdeburg gegen einen Gedenkmarsch von rund 1.200 Rechtsextremen demonstriert. Im Mittelpunkt der Protestaktion stand eine »Meile der Demokratie« in der Innenstadt. An ihr beteiligten sich zahlreiche Landes- und Bundespolitiker sowie rund 180 Vereine, Schulen, Gewerkschaften, Theater, kirchliche Einrichtungen und Parteien. Zu der Aktion, die zum vierten Mal stattfand, hatten das Magdeburger »Bündnis gegen Rechts« und die Stadtverwaltung aufgerufen.
Grünen-Chefin Claudia Roth sagte in Magdeburg, wichtiger als das nötige NPD-Verbotsverfahren sei es, dass Städte und die Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus aufstehen. Die Politik habe die Aufgabe, dieses Engagement noch stärker zu unterstützen. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sich erneut für ein NPD-Verbot aus. Auch die Linken-Vorsitzende Gesine Lötzsch forderte ein Verbot der rechtsextremen Partei und rief dazu auf, politischen »Sonntagsreden« Taten und einen »Aufstand der Zuständigen« folgen zu lassen.
Aufgebot Etwa 30 militante Kameradschaften hatten anlässlich des 67. Jahrestages des Luftangriffs am 16. Januar 1945 auf Magdeburg zu einem »Trauermarsch« in der Stadt aufgerufen.
Sie waren mit Sonderzügen am Neustädter Bahnhof angekommen. Zu ihrer geplanten Demonstration auf dem Vorplatz kam es jedoch nicht. Wie Werner Teger, Assistent der Geschäftsführung der Magdeburger Synagogengemeinde, bestätigt, habe die Polizei die Rechten gleich auf ihre Marschroute geleitet. Dennoch sei der Anblick des massiven Aufgebots von Demonstranten und Ordnungskräften »nicht ganz ohne gewesen«.
Zum Schutz der Synagogengemeinde hatte sich am Vormittag bereits eine »Mahnwache« von rund 350 Personen vor dem Gemeindehaus postiert, das dem Bahnhof direkt gegenüberliegt. Man habe den Gottesdienst, an dem auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, teilnahm, wie gewohnt durchführen können, sagt Teger. Wegen der Minusgrade versorgten Gemeindemitarbeiter trotz Schabbatruhe die Menschen vor ihrem Haus mit warmem Tee.
Zunahme Laut Medienberichten lag die Zahl der Polizeikräfte und die der rechten Demonstrationsteilnehmer in diesem Jahr höher als in den Vorjahren. Auch die Magdeburger Gemeinde hatte mit drei Angriffen auf das Denkmal für die alte Synagoge 2011 mehr Nazi-Schmierereien zu beklagen als jemals zuvor. »Es gibt ein rechtes Potenzial« in dieser Stadt, sagt Teger. Doch die Gemeinde fühle sich gut beschützt.
Die Zusammenarbeit zwischen Gemeinde und Polizei sei sehr gut. Solidaritätskundgebungen von Seiten der Parteien, Kirchen und Bürger wie am Samstag würden der Gemeinde ein sicheres Gefühl vermitteln. »Das ist wohltuend zu wissen« sagt Teger.
Reaktion Das American Jewish Committee (AJC) hat »den demokratischen Gegenprotest« in Magdeburg begrüßt. Gleichzeitig kritisierte Deidre Berger, Direktorin des Berliner AJC-Büros, die Inszenierung einer Gruppe von jungen Gegendemonstranten als KZ-Häftlinge: »Wenn sich junge Deutsche als Opfer des Nationalsozialismus darstellen, ist das keine angemessene Form des Gedenkens, sondern Geschichtsrelativierung, die auf das Schärfste zurückgewiesen werden muss.« Der AJC fordert die Veranstalter des Gegenprotestes auf, sich von dieser »Geschichtsverfremdung« zu distanzieren.