Noch einmal brachte David Stopnitzer die alteingesessene Kehilla Münchens zusammen. Das geschah am Mittwoch vergangener Woche am Israelitischen Friedhof an der Garchinger Straße anlässlich der Beerdigung dieses allseits bekannten, hochgeschätzten Gemeindemitglieds. Es waren Hunderte, die mit der Trauerfamilie Abschied nahmen und sich darüber austauschten, dass mit dem Ableben von »Stoppi«, wie ihn alle nannten, ein Stück Gemeindegeschichte zu Grabe getragen wurde. David Stopnitzer war ein Selfmademan, erfolgreicher Geschäftsmann, ein Genießer voller Freude am Leben, dabei inniger Familienmensch, treuer Freund und großzügiger Mäzen, ohne je darum Aufhebens zu machen.
Nachdem Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), die ernste Aufgabe der »Krija«, des Einreißens eines Kleidungsstücks bei der Witwe Sarah und den beiden Schwestern Helen und Hanni, vorgenommen hatte, hielt sie die erste Trauerrede, den »Hesped«, wie er seit den Zeiten des Stammvaters Abraham, beschrieben im 1. Buch Mose 23,2, Brauch ist. Sie sprach von der Trauer »um einen ganz besonderen Menschen«, der »liebender Ehemann, fürsorglicher Vater und Großvater und starker, liebevoller Bruder« gewesen war, und davon, »was er an Gutem getan hat« für die Familie und fügte dann hinzu: »auch für uns als seine Kehilla. Es war unendlich viel!«.
Das betonte auch Tochter Deborah, die alle Kraft zusammennahm für den Abschied von ihrem Vater, als sie den Anfang vor 78 Jahren erwähnte. Im Mai 1946 wurde das älteste Kind von Josef und Esther Stopnitzer als eines der ersten von rund 400 »Ottilien-Babys« im zum jüdischen Hospital umfunktionierten Kriegslazarett neben dem Kloster St. Ottilien geboren. Die Eltern, beide aus Polen stammend, waren sich das erste Mal im Lager begegnet. In München führten sie ein Lebensmittelgeschäft.
Als Kenner des Jiddischen unterstützte er viele Kulturangebote der IKG.
Der Sohn und die beiden Töchter Helen (Bobbie genannt) und Hanni, die 1951 und 1957 hinzukamen, lernten von ihnen, dass man mit harter Arbeit alles erreichen kann. Und noch etwas galt im Hause Stop-nitzer: »Vergiss nicht, wo du herkommst, und sei ein Mensch.« Liebevolles Vorbild war Stoppi auch seinen Enkelinnen Olivia und Ella, die seine Verbundenheit mit der Familie und dem Judentum hervorhoben. David Leschem sprach für die Freunde, die seine Lebensfreude und menschliche Wärme schätzten. Rechenspiele bereiteten Stoppi besondere Freude
Im September 2006 feierte er seinen 60. Geburtstag kombiniert mit seinem 36. Hochzeitstag, bat um Spenden für das neue Gemeindezentrum am Jakobsplatz. Die Einladung schmückte ein Foto des Geburtstagskindes mit Ehefrau Sarah im Oldtimer im entsprechenden Outfit; denn Autoklassiker waren sein Hobby und die Teilnahme an Oldtimer-Rallyes sein alljährliches Vergnügen. 2016 rechnete Stoppi seinen 70. Geburtstag auf 144 Jahre hoch, indem er den seiner Frau und den siebten seiner Enkelin Olivia dazu addierte. Drei Jahre später kombinierte er den 70. Geburtstag seiner Frau mit dem siebten der zweiten Enkelin Ella.
Bevor Stoppi sich dem Immobiliengeschäft zuwandte, führte er in der Hohenzollernstraße 11 ein auf Jeans spezialisiertes Einzelhandelsgeschäft. Als einmal ein Kurzschluss das Weihnachtsgeschäft ruinierte, setzte der Chef mit einer ganzseitigen Anzeige, in der er »brandheiße Modehits« ankündigte, dagegen.
Sinnvoll fand er es, die Arbeit des Jüdischen Frauenvereins Ruth, für den seine Schwester Helen seit Langem ehrenamtlich tätig ist, zu unterstützen
Persönliche Geschenke wollte er nie, denn was ihm gefiel, Pop-Art oder eine schöne Uhr, kaufte er sich selbst. Sinnvoll fand er es, die Arbeit des Jüdischen Frauenvereins Ruth, für den seine Schwester Helen seit Langem ehrenamtlich tätig ist, zu unterstützen. Die Mizwa, zu helfen, wenn es einem selbst gut geht, nahm Stoppi sehr ernst; er war großzügig und hilfsbereit, doch man war gut beraten, sein Gerechtigkeitsempfinden nicht zu strapazieren.
Wie viele Grabsteine er am »Guten Ort«, wo nun er selbst ruht, für Alleinstehende stiftete, wußte nur er allein. Bekannt geworden ist dagegen seine Unterstützung für Grabstein-Mahnmale auf KZ-Friedhöfen unter anderem in Mühldorf 2008 unter dem Motto »4548 Buchstaben«. Als Kenner der jiddischen Sprache unterstützte er Kulturangebote in der IKG, zum Beispiel Filmabende über Dichter wie Chava Rosenfarb und Abraham Sutzkever. Beim Purimschpil 2013 stand er – als Chassid verkleidet – selbst im Jüdischen Gemeindezentrum auf der Bühne und amüsierte die Zuschauer in einem Scholem-Alejchem-Sketch über »Di Goldshpiners«.
Das neue Zentrum am Jakobsplatz lag David Stopnitzer, eigentlich treuer Besucher der Synagoge in Bogenhausen, sehr am Herzen. Hier organisierte er an Lag BaOmer 2007 die Hochzeit seiner Tochter Deborah, die auch die erste in der neuen Synagoge »Ohel Jakob« war.
Im Mai 2022, 15 Jahre später, stiftete er gemeinsam mit seiner Frau Sarah im Andenken an beide Eltern und Verwandte sel. A. eine neue Torarolle und feierte das erste Fest nach der Corona-Zeit. Der Spender erinnerte in seiner Ansprache an eine rabbinische Weisheit, wonach die Welt auf drei Dingen stehe: auf der Tora, dem Gottesdienst und guten Taten.