Styling

Männersachen

Spachteln, verputzen und streichen – das waren die ersten deutschen Wörter, die Lia Reiss vor drei Jahren lernte. Heute ist ihr Wortschatz schon viel größer,die Genferin hat Deutsch überwiegend von und mit ihren Kunden des Modegeschäfts Sotostore gelernt. Vor drei Jahren hatten sie und Philip Gaedicke, David Fischer, Omer Ben Michael die richtige Adresse für ihren Streetweare-Store gefunden: Ein seit zehn Jahren leer stehendes Haus in der Torstraße am Rosa-Luxemburg-Platz lockte mit einer erschwinglichen Miete. Einziger Haken: Sie mussten selbst renovieren. »Es war eine stressige Zeit, aber sehr lustig«, sagt Managerin Lia Reiss heute.

Mittlerweile ist der Laden so angesagt und die Ware so nachgefragt, dass sie vor einem halben Jahr im selben Haus, das derzeit saniert wird, einen weiteren Laden aufmachen konnten und die Zahl der Mitarbeiter von einem auf zehn angestiegen ist. Doch werden nicht nur Männer mit Kleidung, ausgewählten Büchern, Pflegeprodukten und Schuhen versorgt, sondern es wird auch an die Frauen gedacht, die seit sechs Monaten im Sotostore auf ihre Kosten kommen.

Die Philosophie des Ladens heißt: Alles ist erlaubt, alles ist erwünscht. So können teurere Stücke mit günstigeren kombiniert werden. »Ein Muss für alle Männer, die großen Wert auf gute und stilsichere Kleidung legen«, jubelte die Modepresse, als der Laden eröffnet wurde. Dazu gebe es immer wieder limitiert Stücke und Kollektionen. Aus diesem Grund hätte der Store eine hohe Zahl an Stammkunden, die extra den Weg nach Berlin einschlagen – auch aus dem Ausland –, um anständig shoppen gehen zu können.

Kennenlernen Zum ersten Mal hatten sich David Fischer und Lia Reiss flüchtig bei Freunden zu Rosch Haschana gesehen. Einige Jahre später trafen sie sich zufällig in der Boutique einer Bekannten wieder. Seit fast acht Jahren sind die beiden 30-Jährigen nun ein Paar und arbeiten auch zusammen. Trotz Alltagsstress und Geschäft gibt es auch Momente in ihrem Leben, in denen die Mode in den Hintergrund tritt. Sonntags zum Beispiel gehen sie manchmal im Tiergarten spazieren, schauen sich gerne Filme im Kino an, besuchen Ausstellungen, treffen sich mit Freunden und können sich stundenlang über alles Mögliche unterhalten. Ihre gemeinsame Sprache ist Englisch.

Da sie in Prenzlauer Berg leben, besuchen sie die Synagoge Rykestraße. Mittlerweile haben sie noch mehr zu tun als sonst, da sie im Mai in Genf unter die Chuppa treten und sich in der Aschkenasische Synagoge das Ja-Wort geben wollen. »Dafür haben wir noch viel vorzubereiten«, sagen die beiden Unternehmer. Eines steht allerdings schon lange fest: »Wir werden klassisch angezogen sein, ich im weißen Kleid und David in einem dunklen Anzug«, sagt Reiss.

Als sie das Geschäft gründeten, hatten sie das Gefühl, es fehle an Einkaufsmöglichkeiten für Männer. Das musste geändert werden. So entspreche die Auswahl der Mode im Laden ihrem eigenen Geschmack. »Wir mögen zum Beispiel die Mischung aus edel und lässig«, sagt David Fischer. Und damit sie ihrem Ruf weiterhin gerecht werden, seien sie viel auf Messen unterwegs und besuchen Showrooms in Tokio, Kopenhagen, New York und Paris.

Lifestyle Ein Leben ohne Mode können sich weder David Fischer, braune Boots, blaue Jeans, grüner Pullover und ein Hemd, noch Lia Reiss, schwarze Stiefel, blaue, enge Jeans, dunkelblauen Pullover, vorstellen. David Fischer, der größtenteils in Frankfurt aufgewachsen ist und als Teenager mit seiner Familie nach Genf zog, hatte letztendlich Betriebswirtschaftslehre studiert – obwohl er schon immer modeaffin sei. »Und wenn man nicht weiß, was man studieren soll, dann wird es halt BWL«, begründet er seine Studienwahl. Er zog wegen des Studiums nach Zürich, absolvierte Praktika in Banken und im Marketingbereich. Gleichzeitig dachte er viel über Mode nach und veröffentlichte seine Ideen in einem Fashion-Blog.

Damit war er so erfolgreich, dass er im letzten Studiensemester sein Leben und auch seine Mode finanzieren konnte. Er sei kein Designer, kein Schneider, aber er redet gerne über Mode. Er könne eben immer sagen, was gut aussehe, meint Fischer. Seit einigen Jahren schreibt er für die Online-Magazine »Highsnobiety.com« und »Selectism.com«. Über diese Arbeit bekomme er auch Trends mit und außerdem konnte er sich so etliche Netzwerke aufbauen, die er schließlich für den Sotostore gut gebrauchen konnte.

Aber eines lässt er sich nicht nehmen. An zwei Tagen in der Woche steht er selbst im Laden und berät seine Kunden. »Ich möchte sie live erleben, es ist mir wichtig, und ich möchte auch dazulernen.« An den anderen Tagen sitzt er in seinem Büro und arbeitet an seinen Magazinen. Ziemlich blauäugig hätten sie das Geschäft eröffnet. Nur Lia Reiss hatte Erfahrungen im Einzelhandel, da sie neben ihrem Studium – Kommunikation und Marketing – als Assistentin in einem Kaufhaus in Genf gearbeitet hatte, wo sie für die Organisation und den Einkauf zuständig war.

Bread and Butter Auch Lia war schon immer für Mode zu haben. Aber in ihrer Heimatstadt Genf hätten Klamotten eine andere Bedeutung als in Berlin. Außerdem sei die Stadt zwar schön, aber klein »wie ein Dorf«, weshalb sie Städte wie London oder Paris lockten. Schließlich habe sie sich aber für Deutschland entschieden. Als ein Schuhhersteller David Fischer fragte, ob er als Trendhändler ihre limitierten Produkte verkaufen könnte, entstand die Idee eines eigenen Ladens. Bei der Berliner Modemesse Bread and Butter hatte er Philipp kennengelernt, Omer, der aus Israel stammt, kannte er schon und so beschlossen sie, sich alle drei als Gesellschafter zusammenzutun und erst mal die Männerboutique zu eröffnen. Lia wurde Managerin.

Einzelhandel sei ein schwieriges Geschäft, meint Lia Reiss, bringe aber Spaß. Sie haben eine spezielle Kundschaft, die gezielt nach besonderen Marken bei ihnen schaut. Aber sie würden auch viel von Touristen leben. Die Torstraße hätte sich in ihren Augen gut entwickelt, die meisten Kunden kämen zwischen 18 und 20 Uhr – nach der Arbeit – bei ihnen vorbei. Vor zwölf Uhr hingegen sei die Straße noch leer, weshalb die Türen des Ladens dann noch geschlossen sind.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage www.sotostore.com

München

»Das Gemeinsame betonen«

Die 38. Jüdischen Kulturtage zeigten ein vielfältiges Programm

von Luis Gruhler  15.01.2025

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025