Sie ist immer unterwegs: 35 Minuten am Dienstag, eine Stunde am Mittwoch, am Donnerstag wieder 35 Minuten, freitags und samstags jeweils 20 Minuten: Tereza Pospíšilová arbeitet an drei unterschiedlichen Orten und fährt zu ihren Schreibtischen quer durch die Stadt. Mal ist sie im Kindergarten von Masorti in Wilmersdorf, dann im Büro der Rabbinerin Gesa Ederberg im Gemeindezentrum in der Fasanenstraße und in der Synagoge Oranienburger Straße.
Da ihre Wohnung in der Nähe des Alexanderplatzes liegt, kennt die junge Tschechin den S-Bahn-Plan schon fast auswendig, zumindest wenn sie zur Kita fährt, denn die Anfahrt dorthin ist lang. Aber das ist auch das Einzige, was nicht hundertprozentig nach Tereza Pospíšilovás Geschmack ist, ansonsten findet die 25-jährige Studentin nur lobende Worte über ihren einjährigen Einsatz bei Masorti im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes. »Es ist toll, ich kann es nur empfehlen.«
Ihre Kollegen seien alle sehr geduldig mit ihr, bemühten sich, langsam und in einfachen Sätzen Deutsch zu sprechen, damit Tereza alles versteht. Zwar hat Tereza in der Schule Deutsch gelernt, lesen falle ihr aber deutlich leichter als sprechen, meint sie bescheiden.
Studentin Als Tereza Pospíšilová vor etwa einem Jahr das Stellenangebot bei Masorti entdeckte, wusste sie, dass es genau das ist, was sie wollte. Sie studiert Philosophie und Theologie in Prag und hat sich im Laufe ihres Studiums zunehmend auch für Judaistik. Obwohl in ihrer Heimat Olomovc, 200 Kilometer nördlich der tschechischen Hauptstadt, Religion nur eine untergeordnete Rolle spielt. »Da sind die Atheisten in der Überzahl.«
Auch ihre Familie gehört dazu. Und vielleicht fühlt sich Tereza deswegen zur Religion hingezogen. Eine Woche lang tüftelte sie an ihrem Bewerbungsschreiben – das sollte schließlich Wirkung zeigen. Was es auch tat. Nach einem Telefoninterview mit der Geschäftsführerin des Vereins kam die Studentin einige Monate später nach Berlin, um zwei Tage bei Masorti zu verbringen. »Mir wurden der Kindergarten und die beiden Büros gezeigt«, sagt Tereza, die glücklich war, als die Zusage endlich kam.
Bevor die Studentin im März nach Berlin zog, hatte sie ihre Abschlussprüfungen abgelegt – nun steht nur noch die Masterarbeit aus. Mittlerweile hat sie sich auch für ein Thema entschieden: »Masorti in Deutschland«. Der Anfang sei schon hart gewesen. Im März nahm sie an einer Rabbinerkonferenz teil und feierte Pessach mit. »Sehr schöne Erfahrungen«, sagt sie.
Nun habe sie sich gut eingelebt. Freitags und samstags betreut sie die Kinder, während deren Eltern die Gottesdienste besuchen, sie legt die Gebetbücher bereit und hilft in der Küche beim Kiddusch. Durch ihre Arbeit im Büro der Masorti-Geschäftsführerin habe sie eine Menge gelernt. Sie schreibt Artikel, gestaltet die Website und den Newsletter mit. Im Büro von Rabbinerin Gesa Ederberg musste sie am Anfang viele Listen erstellen, doch nun darf sie Anfragen beantworten, entwirft Flyer für internationale Besucher und begleitet eine Gruppe, deren Mitglieder zum Judentum konvertieren möchten.
Gemeinde Die offenen Gottesdienste in Berlin haben es ihr sehr angetan, denn sie kennt es aus ihrer Heimat, dass die jüdische Gemeinschaftlich eher abschotte und es schwer sei, als Nichtmitglied an den Veranstaltungen teilzunehmen. Synagogen gebe es dort zwar auch. Da aber nur noch wenige Gemeinden existierten, seien die Gotteshäuser überwiegend Museen. »Während meines Studiums habe ich nur die graue Theorie kennengelernt, doch nun erfahre ich die Praxis.«
Tereza faszinieren viele Dinge: Eines davon ist der interreligiöse Dialog. Deshalb war die 25-Jährige vor einiger Zeit in Nazareth in Israel, um bei einem Projekt zwischen Arabern und Juden mitzuwirken. Wenn sie nicht gerade für Masorti arbeitet, dann sitzt die Studentin zu Hause am Schreibtisch oder in der Bibliothek in der Fasanenstraße. »Hier gibt es endlich alle Bücher, die ich brauche«, sagt sie. Denn in ihrer Heimat ist es komplizierter, an die Literatur heranzukommen. »Ich will möglichst viel lernen«, betont Tereza. Derzeit lese sie viel über den Zionismus, die Geschichte Masortis und über die Politik. Ein bisschen habe sie sogar schon für ihre Masterarbeit geschrieben.
Montags ist der Arbeitsweg am Kürzesten, denn dann hat sie frei. Statt Büroarbeit und Kinderbetreuung stehen schwimmen oder Freunde treffen auf dem Plan. Gerade hat Tereza Besuch aus Tschechien. Gemeinsam mit ihren Bekannten erkundet sie Berlin auf dem Rad und zeigt ihre Lieblingsorte: das Gemeindehaus, die Synagoge Oranienburger Straße und das Jüdische Museum.
Europäischer Freiwilligendienst
Masorti Berlin bietet seit einigen Jahren jährlich drei Plätze für den Europäischen Freiwilligendienst an. Teilnehmer erhalten Unterkunft, Taschen- und Essensgeld. Beim Europäische Freiwilligendienst können sich junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren engagieren. Solidarität, das gegenseitige Verständnis und die Toleranz sollen mit diesem Dienst gefördert werden, um dadurch den sozialen Zusammenhalt in der EU zu stärken.
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