Für Rabbiner Meir Roberg ist diese Ordinationsfeier eine ganz besondere. Er ist 1937 in Würzburg geboren und kehrt nun an diesem Montag in seine Heimatstadt zurück, um der Ordination zweier junger Absolventen des Rabbinerseminars zu Berlin beizuwohnen. Rabbiner Roberg ist Studienberater des Seminars. »Das ist für mich ein wirklich sehr emotionaler Moment«, erzählt er und schaut wohlwollend zu den beiden jungen Rabbinern, die unterdessen schon einmal Gäste begrüßen und Hände schütteln. Für Shlomo Aminov und Jakov Pertsovsky ist es eine große Ehre, wie sie sagen, dass Rabbiner Roberg an ihrer Ordinationsfeier teilnimmt.
Josef Schuster, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland und Würzburger Gemeindevorsitzender, heißt neben Rabbiner Roberg und Gemeinderabbiner Yakov Ebert noch andere rabbinische Persönlichkeiten und weitere Ehrengäste im Gemeindezentrum »Shalom Europa« willkommen, darunter den Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses, Ronald S. Lauder.
Schuster würdigt anschließend in seiner Rede die Arbeit des Rabbinerseminars zu Berlin, das 1873 gegründet, 1938 von den Nazis geschlossen und 2009 vom Zentralrat gemeinsam mit der Lauder Foundation wieder ins Leben gerufen wurde. Seither hat es Rabbinerordinationen von Absolventen des Seminars in München, Leipzig und Köln gegeben.
würzburger Raw Diese jungen Rabbiner habe die jüdische Gemeinschaft in Deutschland dringend gebraucht, »und sie haben und werden sie bereichern«, sagt Schuster. Die Ordination junger Rabbiner bedeute »eine große Freude« für alle Juden in Deutschland. Ihm bedeute es sehr viel, dass die Ordination in seiner Heimatstadt Würzburg stattfindet, betont Schuster und verweist in seiner Rede auf den bekanntesten jüdischen Gelehrten aus der 900 Jahre alten jüdischen Geschichte der Stadt, Seligmann Bär Bamberger, den »Würzburger Raw«.
Dessen Leitgedanke – modern, aber dem traditionellen Judentum verpflichtet – sei auch für die Vielzahl jüdischer Gemeinden in Deutschland heute wichtig. Dabei bedeute »modern« nicht, sich einem vermeintlichen Zeitgeist zu unterwerfen oder sich bedingungslos der Mehrheit anzupassen, betont Schuster. »Modern sein, ohne willkürlich zu werden – das geht überhaupt nur mit festen Wurzeln. Wir bleiben unseren Traditionen verpflichtet. Deshalb haben wir 2012 das Recht auf Beschneidung so vehement verteidigt.«
An die Reden und Grußworte – unter anderem vom Staatssekretär im bayerischen Bildungs- und Kultusministerium, Georg Eisenreich, sowie von Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt – schließt sich dann die eigentliche Ordination an.
Segen Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz und Kuratoriumsvorsitzender des Rabbinerseminars zu Berlin, segnet die beiden jungen Rabbiner und überreicht ihnen die Urkunden. Im Namen der Orthodoxen Rabbinerkonferenz spricht Dortmunds Rabbiner Avichai Apel die Ordinationsanerkennung. Der New Yorker Kantor Joseph Malovany, Rektor des Instituts für Traditionelle Jüdische Liturgie in Leipzig, begleitet die Zeremonie mit Psalmen und Segenssprüchen.
Zuvor macht Ronald S. Lauder noch deutlich, wie wichtig ihm die Ordination sei. Daher sei er nach Würzburg gekommen, wo seine Stiftung auch das jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum unterstützt. Lauder betont in seiner Rede die Bedeutung jüdischer Bildung: »Was wir tun können, ist, junge Menschen zu inspirieren. Die Verantwortung dafür zu übernehmen, andere zu inspirieren. Darum geht es heute«, sagt er mit Nachdruck.
Shlomo Aminov und Jakov Pertsovsky gibt er auf den Weg: »Wir haben euch geholfen, jüdische Erziehung zu erhalten, sodass ihr euer Leben der Hilfe anderer widmen könnt.« Er verweist darauf, dass Absolventen des Rabbinerseminars bereits in Gemeinden in Leipzig, Osnabrück, Duisburg und Potsdam amtieren. Nun werden die jungen Rabbiner in den jüdischen Gemeinden Bonn und Chemnitz tätig werden. »Lieber Jakov, lieber Shlomo, wir erwarten große Dinge von euch, macht uns stolz«, wendet sich Lauder an die beiden jungen Männer.
Gemeinden Die jungen Rabbiner, so scheint es, sind dazu bereit: Shlomo Aminov, 1989 in Usbekistan geboren, kam im Alter von zwölf Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. 2008 begann er sein Studium an der Jeschiwa Beis Zion in Berlin. Von 2010 an studierte er am Rabbinerseminar zu Berlin. Ab 1. November wird er als Gemeinderabbiner in Bonn tätig sein.
Jakov Pertsovsky ist 1986 in der Ukraine geboren. Von 2006 bis 2008 lernte er an der Jeschiwa, 2009 nahm er sein Studium am Seminar auf. »Für mich wird ein großer Traum wahr«, sagt er. »Ich bin jetzt Rabbiner und werde die Arbeit ausüben, die mir sehr viel Freude macht.« Er hat nicht einmal auf die Ordination gewartet, sondern ist schon seit Sukkot in der Chemnitzer Gemeinde tätig. Und deshalb könne er auch nicht lange in Würzburg bleiben. Noch in der Nacht werde er zurückreisen. »Morgen habe ich meine Rabbiner-Sprechstunde, da brauchen mich die Menschen.«
Meir Roberg ist sehr zufrieden mit seinen Absolventen. »Es ist wundervoll, was schon erreicht wurde«, sagt der Rabbiner. Aber es habe, so betont er, vor der Schoa zwei sehr renommierte Einrichtungen traditioneller jüdischer Bildung in Deutschland gegeben: das Hildesheimersche Rabbinerseminar in Berlin und die Israelitische Lehrerbildungsanstalt in Würzburg. »Die eine Institution haben wir wieder zum Leben erweckt, die andere wartet noch darauf, wiederbelebt zu werden.« Ein Lehrerseminar, in der Tradition des Würzburger Raw? »Ja, warum denn nicht?«, sagt Rabbiner Roberg und lächelt. Eine Vision. Aber das war die Ausbildung von Rabbinern in Deutschland auch einmal.