OFEK

»Lokale Intervention schafft Vertrauen«

Marina Chernivsky über den Aufbau des Beratungs- und Meldezentrums für Antisemitismus und Diskriminierung in Sachsen

von Heide Sobotka  07.01.2022 08:37 Uhr

Marina Chernivsky Foto: Rolf Walter

Marina Chernivsky über den Aufbau des Beratungs- und Meldezentrums für Antisemitismus und Diskriminierung in Sachsen

von Heide Sobotka  07.01.2022 08:37 Uhr

Frau Chernivsky, in diesem Jahr will OFEK e.V. ein neues regionales Melde- und Beratungsbüro in Sachsen eröffnen. Warum gerade jetzt?
Die Eröffnung eines regionalen Standortes ist ein Prozess, der in der Regel einen langen Atem braucht. In Sachsen haben wir uns auf eine öffentliche Ausschreibung des Landes beworben. Diese sah die Einrichtung einer Melde- und Beratungsstelle vor. Da der Schwerpunkt von OFEK in der Beratung und nicht in der Erfassung liegt, werden wir die Meldestelle in enger Kooperation mit dem Bundesverband RIAS umsetzen und die Beratungsstelle nach dem Vorbild der bereits existierenden OFEK-Standorte in Berlin, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen-Anhalt aufbauen.

Welche Voraussetzungen wurden bisher geschaffen?
Mir ist die Unterscheidung wichtig: RIAS ist die Anlaufstelle für das Melden und Erfassen, und OFEK steht für die Beratung. Die beiden Stellen in Trägerschaft von OFEK werden sehr eng zusammenarbeiten. Die Meldestelle, wie es klassischerweise das RIAS-Modell vorgibt, wird die Meldungen aufnehmen, und die Beratungsstelle wird die Beratung und Begleitung von Ratsuchenden, aber auch Fachberatungen für Institutionen ermöglichen.

Welche Institutionen sind das?
Es handelt sich vor allem um Bildungseinrichtungen wie Schulen und außerschulische Lernorte, zivilgesellschaftliche Institutionen, Gemeinden, staatliche Stellen. Viele Fälle, die uns bei OFEK erreichen, ereignen sich in Institutionen und bedürfen einer umfassenden Beratung und Begleitung, zum Beispiel in der Schule oder am Arbeitsplatz.

Wie erfolgt die Zusammenarbeit mit örtlichen Institutionen?
In Sachsen gibt es seit einigen Jahren gute Kontakte in die Zivilgesellschaft, ebenso in staatliche Stellen. Wir arbeiten mit dem Beauftragten der Sächsischen Staatsregierung für das Jüdische Leben, Thomas Feist, und mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Sachsen zusammen. Vernetzung ist für uns sehr wichtig.

Wohin konnten sich die von Antisemitismus Betroffenen bislang wenden?
Bisher wandten sich auch Betroffene aus Sachsen an OFEK. In den letzten zwei Jahren haben wir die Begleitung von einigen Fällen in Sachsen trotz der Entfernung übernommen. Der Aufbau wird noch einige Monate dauern, deshalb empfehle ich die Kontaktaufnahme mit OFEK und RIAS in Berlin. Ferner werden wir mit hiesigen lokalen Beratungsnetzwerken Kontakt aufnehmen und Verweisberatung ermöglichen.

Wie wichtig ist die Präsenz vor Ort?
Sehr wichtig. Mit der »lokalen Intervention« steigt das Vertrauen der Gemeinden, der Zivilgesellschaft und der Ratsuchenden. Es gibt zudem mehr Möglichkeiten für eine umfassende und dauerhafte Unterstützung. Mit unserer bundesweiten Hotline können wir die Erstberatung bewerkstelligen. Jede weitere weiterführende Intervention braucht den lokalen Bezug und tragfähige Kooperationen mit lokalen Akteuren. Und es kommt auch auf die Qualität der Arbeit an, damit das Vertrauen überhaupt entsteht. Besonders bei Beratung sind die Hemmschwellen hoch, sich proaktiv an eine spezialisierte Stelle zu wenden.

Wie erwerben Sie diese Qualität?
Wir setzen auf Schulung, Weiterentwicklung und Einhaltung von Qualitätsstandards. Die Meldestelle wird den Anforderungen von RIAS folgen. OFEK lehnt sich unter anderem an die Standards spezialisierter Opferberatung. Wir setzen auf Vertraulichkeit und handeln im Auftrag der Ratsuchenden. Ihre Fragen und ihr Bedarf stehen dabei im Fokus.

Mit der Geschäftsführerin von OFEK e.V. sprach Heide Sobotka.

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