Handys ausschalten!» Schon am Eingang des kleinen Raums im Turnhaus des Olympiaparks, in dem die Schach-Turniere ausgetragen werden, mahnt ein Schild zur Stille. Tatsächlich ist nur ab und an ein Klicken zu hören, wenn einer der Spieler die Schachuhr drückt, dazu das Flüstern der Zuschauer und ganz entfernt etwas Musik, die von draußen durch die geschlossenen Fenster dringt. Die gründliche Abdämmung hat ihren Preis: Im Zimmer mit den 14 Turniertischen ist es stickig und heiß. Die 29 Teilnehmer lassen sich davon allerdings nicht beirren.
Konzentriert blicken sie auf die Spielbretter – so wie die 17-jährige Rina Weinman aus Schweden. Die junge Frau zieht schnell und scheinbar ohne Zögern, während ihr Gegner, Zinovi Kogan aus Russland, lange überlegt, bevor er eine Figur setzt. Weinman ist mit großen Hoffnungen nach Berlin gekommen: Vor zwei Jahren nahm sie zum ersten Mal an der Makkabiade in Israel teil und holte gleich Gold in ihrer Altersklasse. Das Turnier in Berlin läuft allerdings nicht ganz so flüssig. Nach fünf Runden steht Rina auf Platz 25. «Die Konkurrenz ist wirklich hart», kommentiert sie in einer Spielpause und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Zweierteams Etwas besser haben es da die Bridge-Spieler, deren Turnier in den kühlen Räumen des Landessportbunds Berlin stattfindet. Nur gedämpft reden die Spielgegner miteinander, Zuschauer finden sich hier keine. Bei jeder Partie spielen zwei Zweierteams gegeneinander und versuchen, möglichst viele Stiche zu machen.
«Dafür sind Mathematik, Psychologie, Logik und strategisches Denken nötig», erklärt Josef Harsanyi, Vizepräsident des deutschen Bridge-Verbands, der den Wettkampf an den acht Spieltischen beaufsichtigt. Mit Glück habe Bridge dagegen nichts zu tun. Deswegen gilt das Kartenspiel genauso wie Schach als Sport – beide Disziplinen sind Mitglieder im Verband der World Mind Sports und haben bei Makkabi Tradition.
Auf Außenstehende wirkt Bridge mit seinen Kartendecks, die in speziellen Plastikboards stecken, und den sogenannten Bidding Boxen, die jeder Spieler hat und in denen Karten mit bestimmten Ansagen und Geboten stehen, wie ein Buch mit sieben Siegeln.
selbstdisziplin Doch Harsanyi versichert, dass jeder die Grundzüge des Spiels in zwei Stunden beherrsche. «Und dann lernt man es lebenslang», schwärmt er. Die Freude daran sei es, der Entfaltung der eigenen logischen Fähigkeiten zuschauen zu können. Gleichzeitig fördere Bridge die Selbstdisziplin, denn an den Tischen gelte es, absolut ruhig zu sein und die anderen nicht abzulenken.
Während Harsanyi von den Vorzügen des Spiels spricht, unterbricht ein gellendes «Stop it!» die gespannte Stille. Am Tisch der Paarung Niederlande gegen Ungarn kommt es zu Diskussionen, einer der Spieler redet auf den Turnierleiter ein, während die anderen Teilnehmer versuchen, sich von dem Ausbruch nicht stören zu lassen. Was genau das Problem ist, ist ohne Kenntnisse der Regeln nicht festzustellen, aber das missbilligende Kopfschütteln der Spieler lässt erahnen, dass derartige Gefühlsäußerungen nicht gerne gesehen werden.
Blitzschach Zurück zum Schachturnier: Hier wurden mittlerweile die Tische umgestellt, um Platz für das Blitzschach zu schaffen. In Zweierteams spielen die Kontrahenten gegeneinander, eine Runde dauert gerade einmal fünf Minuten. Obwohl es in wenigen Augenblicken losgehen soll, stehen die Teilnehmer noch in bunten Grüppchen um die Turniertische. Laute Witze mischen sich in das Surren der Ventilatoren, die zwischenzeitlich verteilt wurden.
«Die Atmosphäre hier ist wirklich entspannt», lobt Margaryta Paliy aus Potsdam. «Am Brett sitzen sich zwar Feinde gegenüber, aber nach der Partie ist dann wieder alles locker.» Die 18-Jährige nimmt zum ersten Mal an einer Makkabiade teil und ist sehr stolz, dabei sein zu dürfen. Nach fünf Runden steht sie auf Platz 16. «Das ist viel besser, als ich es erwartet hätte», freut sie sich.
einblick Neben dem Sport sind es vor allem die Begegnungen mit Juden aus aller Welt, die die European Maccabi Games für sie ausmachen: «Ich wollte einen Einblick bekommen, wie Juden in anderen Ländern leben, und diese Erwartung hat sich voll und ganz erfüllt.» Sie hofft, dass sie in den zehn Tagen Kontakte knüpfen konnte, die über die Spiele hinaus bestehen bleiben. «Das würde mich dann auch motivieren, in zwei Jahren in Israel teilzunehmen», sagt Paliy.
Nun muss sie aber schnell ihren Platz einnehmen, das Blitzturnier beginnt. Innerhalb von Sekunden sind aus den Teilnehmern, die eben noch an einen summenden Bienenschwarm erinnerten, hochkonzentrierte Spieler geworden. Angesichts der kurzen Partien ist für langes Überlegen keine Zeit: In irrsinnigem Wechsel machen die Spieler Zug um Zug und hauen dabei immer abwechselnd auf die Schachuhren, deren schnelles Klacken nun an eine Nähmaschine erinnert.
erfahrung Die Anspannung ist den Teilnehmern in kleinen Gesten anzusehen. So schnellt etwa Paliys Knie auf und ab, andere Spieler massieren sich in kleinen Kreisen die Schläfen. Rina Weinman stützt das Kinn ab, während ihre Hand über dem Brett schwebt, sie ist unzufrieden mit sich. «Ich habe keine Erfahrung damit, gegen ältere Spieler oder Männer zu spielen», erklärt sie, um dann doch wieder zu grinsen: «Insgesamt überwiegt aber doch der Spaß, weil alle so freundlich sind.»
Auch beim Bridge-Turnier hat sich die Stimmung wieder aufgehellt, besonnen und ohne viele Worte absolvieren die Spieler Runde um Runde. Ein Countdown, der per Beamer an die Wand gestrahlt wird, zeigt an, wie viel Zeit noch übrig ist, doch die überwiegend älteren und männlichen Teilnehmer scheinen ohnehin ein untrügliches Gespür dafür zu haben.
Viele Teams spielen schon seit Jahren zusammen. Wie beim Tanzen sei es von Vorteil, wenn man sich gut kenne, betont Josef Harsanyi. Denn beim Bridge gehe es auch darum, nonverbal mit dem Partner zu kommunizieren. Auf die Frage, ob die Psychologie eine ähnliche wie beim Poker sei, reagiert er etwas ungehalten: «Das hören wir Bridge-Spieler nicht so gerne.» So seien hier ganz andere Fähigkeiten gefragt, zudem gehe es um den sportlichen Geist und nicht ums Geld. Harsanyi unterstreicht: «Beim Bridge steht ein faires gutes Spiel im Mittelpunkt – wie bei der jüdischen Sportbewegung generell.»