Eine gesunde Streitkultur ist Veranstaltungen der Women’s International Zionist Organization (WIZO) Frankfurt nicht fremd, vielmehr sogar gewollt. So auch am Dienstagabend vergangener Woche, als die Organisation wieder in die Veranstaltungsräume des Hilton in Frankfurt einlud. Mittelpunkt der Veranstaltung war das neu erschienene Buch Israel, was geht mich das an?, in dem 15 Autoren persönliche Positionen zu dieser Frage beziehen. Die Runde wurde von Michel Friedman moderiert, der die Schrauben dieser Frage für die Diskussionsteilnehmer, aber auch für das Publikum immer enger zog.
Zu Beginn lasen Esther Schapira und Harry Bergmann aus ihren sehr persönlichen Texten. »Echte Liebe hält Widersprüche aus«, resümierte Schapira ihr Verhältnis zu Israel, welches sich gerade angesichts der aktuellen politischen Situation von dem Bild abspaltet, das sie als Kind von diesem glücklichen Ort hatte. »Mit der Zeit wurde mein Bild des geliebten Landes schärfer. Zur Sonne gesellten sich tiefe Schatten. An meiner Liebe änderte das nichts.« Mit Unverständnis reagiert Schapira auf die Art von Kritik an Israel, die so oft in der Absprache des Existenzrechts mündet. Dies seien Doppelstandards und ein Maß, das an kein anderes Land der Welt angelegt würde.
Fixpunkt Auch Bergmann berichtete von Israel als einem heimatlichen Fixpunkt – der Text zeichnet ein Israel, »welches es im Moment scheinbar nicht mehr gibt«, wovon Bergmann aber gleichzeitig überzeugt ist, dass es wiederkehren wird. Seine autobiografische Geschichte erzählt von der Rückkehr seines Vaters in dessen Heimatland Österreich und zu seiner Muttersprache Deutsch – gleichzeitig bedeutete dies für den in Israel geborenen Bergmann das Verlassen seiner Heimat.
Als Stimme einer jüngeren Generation war Laura Cazés für die Diskussion eingeladen und arbeitete feinsinnig heraus, dass die Frage nach dem Verhältnis zu Israel auf verschiedenen Ebenen ausgehandelt wird: auf einer biografischen und hochemotionalen Ebene, in der sich Israel als eine Form von Fixpunkt nicht von einem selbst lösen lässt; auf der Ebene Israels als Projektionsfläche für Antisemitismus in Deutschland sowie auf der Ebene der aktuellen politischen Entwicklungen. Der Konflikt bestehe oft darin, die Ebenen nicht zusammenbringen zu können, resümierte Cazés und stellte sich die Frage: »Wie nah lasse ich dieses Land an mich ran und wie fern halte ich es von mir weg, um zu sehen, was passiert?« Es geht um die Maxime der Unterstützung Israels in der jüdischen Diaspora und auch um den kritischen Blick auf die politischen Entwicklungen in dem Land.
In diesem Kontext stellte Friedman die Frage: Würde man Israel unterstützen, wenn sich die politische Situation verschlimmert oder Israel gar eine Diktatur werden würde? Schapira sieht positiv auf die Demonstrationen. Es würde eine rote Linie überschritten werden durch die aktuelle, teils rechtsextreme Politik des Landes – und deswegen gelte es nun, politisch zu werden. Alle im Raum waren sich einig: Es gilt, Israel zu unterstützen, sodass es durch die Politik im Land nicht weiter beschädigt wird. Israel müsse ein Heimathafen und Fluchtpunkt bleiben.
Thematisiert wurde auch die Schwierigkeit, Kritik an Israel auszuüben. Kritik fällt leichter im inneren Kreis – wie an diesem Abend. In der Öffentlichkeit fürchte man sich oft, eine Galionsfigur der »Israelkritiker« zu werden. Friedman fasst dies mit der Herausforderung zusammen, dass die Frage nach Israel eine sei, die man nicht nur mit sich selbst aushandeln, sondern für deren Antwort man eine Sprache finden muss, mit der man auch vor sich selbst bestehen kann.