»Es kommt darauf an, zuallererst Mensch zu sein«, Moshe Ben Towia Navon betont das Verbindende. Schubladendenken ist dem 57-Jährigen fremd, auch, was den eigenen Glauben betrifft. Seit Anfang September ist er der erste Rabbiner der 1995 wiedergegründeten Gemeinde Emmendingen. Sie suchte schon seit Längerem, doch bislang standen finanzielle Fragen einer Anstellung im Wege.
Möglichkeiten Mit dem Abschluss des Staatsvertrages zwischen dem Land Baden-Württemberg und den Israelischen Religionsgemeinschaften im Januar 2010 hat sich die Lage deutlich verbessert. »Ich habe lange auf sie gewartet«, zitiert Moshe Navon die Worte, mit denen er von einem älteren Mitglied begrüßt worden war.
Der Rabbiner versteht sich vor allem als Seelsorger. »Sicherlich ist meine Aufgabe auch die Gestaltung der Gottesdienste, gemeinsam mit dem Kantor und anderen Gemeindemitgliedern«, erklärt er. Auch die Lehre gehört zu seinen Aufgaben, so Navon, der anerkannter Fachmann für die Qumranschriften ist. Doch daneben sind ihm die vielen persönlichen Begegnungen, bei denen er die Menschen kennenlernt und ihnen das Judentum nahebringen kann, wichtig und unverzichtbar.
»Im Judentum kann man viel lesen und lernen«, weiß er. Doch dem Glauben helfe nur das lebendige Erleben. 95 Prozent der Mitglieder stammen aus Ländern der ehemaligen Sowjetunion. So, wie Moshe Navon selbst, der in Sibirien geboren wurde. »Hitler hat uns physisch vernichtet, Stalin seelisch, indem er Sprache und Religionsausübung verboten hat«, erklärt der Rabbiner.
gleiches erfahren Als Jude in der Sowjetunion groß geworden zu sein, ist heute für ihn eine wichtige Grundlage für die Begegnung mit den Gemeindemitgliedern, die Gleiches erfahren haben. Verbunden mit dem Erleben des Judentums in Israel, wo er 18 Jahre verbrachte, studierte und die Ausbildung zum Rabbiner 2007 abschloss.
Dort hat er aber auch die wichtige Erfahrung mit den säkularen Israelis gemacht, was ihm heute hilft, wenn er der ähnlichen, religionsfernen Mentalität insbesondere bei jungen Gemeindemitgliedern begegnet. »Eigentlich geht es nicht um Reform, liberal oder orthodox«, sagt Navon. »Letztlich gehören alle unter einen Hut, und es geht um Respekt gegenüber jeder Ausrichtung«, so das Mitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz.
Willkommen Bevor Navon nach Emmendingen kam, war er zwei Jahre Rabbiner in Bad Pyrmont. Er freut sich über die positive Aufnahme, auch von Menschen außerhalb der Gemeinde. Das lässt ihn auch an seiner Vision festhalten. Die Hoffnung auf ein Deutschland, in dem Bürger jüdischen Glaubens selbstverständlich dazugehören. Dann brauche er sich auch nicht mehr dafür zu entschuldigen, dass er wegen des jüdischen Neujahrfestes nicht am Elternabend seines Sohnes teilnehmen kann. Navon ist mit Miriam Bat Jossef verheiratet und mit der er vier Söhne hat