PJ Library

Lektüre für kleine Leseratten

Bald gibt es jüdische Gute-Nacht-Gechichten auch endlich auf Deutsch – und das kostenlos. Foto: Getty Images

Gute-Nacht-Geschichten, die die jüdische Lebenswelt spiegeln, sind im deutschsprachigen Raum Mangelware. Die meisten Kinderbücher zu jüdischen Themen wie Feiertage, koscheres Essen oder Erzählungen und Geschichten aus dem Judentum gibt es nur auf Englisch oder Hebräisch. Doch können Kinder in Deutschland, Österreich und der Schweiz Geschichten mit jüdischem Bezug auch in deutscher Sprache lesen – und zwar kostenlos.

Denn im Juni 2020 startete auf Initiative des Zentralrats der Juden in Deutschland die »PJ Library« auch im deutschsprachigen Raum.
Die PJ Library ist ein Gratis-Buchversand für jüdische Kinder zwischen zwei und acht Jahren. Wer Kinder in diesem Alter hat und einer jüdischen Gemeinde angehört, kann sich auf der Website registrieren und bekommt dann zehn Kinderbücher pro Jahr zugesandt.

https://www.facebook.com/zentralratderjuden/posts/3855099577903508

BILDUNG »Lesen und Vorlesen sind nicht nur für die Bildung wichtig, sondern schaffen auch ein besonderes Band zwischen Eltern und Kindern. Das möchten wir ebenso stärken wie die jüdische Identität. In den Büchern der PJ Library finden Kinder ihre Lebenswelt kindgerecht und modern widergespiegelt«, erklärt Zentralratspräsident Josef Schuster.

Die Harold Grinspoon Foundation sponsert den Lektüre-Service weltweit.

Schon lange plante der Zentralrat der Juden, im Rahmen seiner Bildungsinitiative den kostenfreien Lektüreservice auch nach Deutschland zu holen und jüdische Geschichten allgemeiner zugänglich zu machen. Mit der PJ Library wird nun auch den älteren Kindern ein eigenes Angebot gemacht, das die beliebten Mischpacha­-Boxen des Familienprogramms ergänzt. In diesen Kisten finden Kinder bis zu drei Jahren altersgerechtes Bastelmaterial sowie kleine Geschenke und Geschichten zu den jüdischen Feiertagen.

GRINSPOON Die Idee zur PJ Library stammt aus den Vereinigten Staaten. Vor 15 Jahren verschickte der Unternehmer und Philanthrop Harold Grinspoon dort erstmals 200 Bücher an Kinder in jüdischen Familien. Heute hat die PJ Library nach eigenen Angaben mehr als 620.000 Nutzer auf fünf Kontinenten. Die Harold Grinspoon Foundation sponsert weltweit den kostenfreien Lektüreservice.

Die Stiftung setzt sich für ein lebendiges, vernetztes Judentum ein und fördert nun auch die deutschsprachige »Pyjama-Bibliothek«, wie sich der Name des Buchservice übersetzen lässt: PJ steht für Pyjama. Damit werde unterstrichen, dass sich die Kinderbücher als Gute-Nacht-Geschichten eignen.

Shira Rademacher war an der Auswahl der Bücher für das deutschsprachige Angebot beteiligt. Die Religionslehrerin aus Köln rechnet mit einem großen Andrang auf die »Pyjama-Bibliothek« in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie weiß, dass etliche jüdische Familien in Deutschland sich bisher Bücher aus Russland, den USA oder Australien schicken ließen, um ihre Kinder mit Geschichten über jüdische Kultur, Werte und Traditionen vertraut machen zu können.

Das Auswahlkomitee las mehrere Dutzend Kinderbücher, bewertete sie nach einem Punktesystem und diskutierte die Beurteilung.

Als Vertreterin der Synagogen-Gemeinde Köln gehört Shira Rademacher dem orthodoxen Judentum an. Beteiligt an der Auswahl der Bücher für die PJ Library waren jedoch Repräsentanten unterschiedlicher religiöser Strömungen im Judentum. »Das war sehr wichtig, denn alle Eltern sollen ein gutes Gefühl haben, wenn sie die Bücher gemeinsam mit ihren Kindern lesen – egal ob es sich um eine Chabad- oder eine sehr liberale Familie handelt«, erläutert die Pädagogin.

BESTÄRKUNG Über alle religiösen jüdischen Strömungen hinweg sollen die Familien bestärkt werden, sich mit jüdischem Leben auseinanderzusetzen. Klappentexte mit Anregungen und Fragestellungen zum Buch sollen die Erwachsenen ermuntern, mit den Kindern über jüdische Themen zu sprechen.

Die Mitglieder des Auswahlkomitees lasen mehrere Dutzend Kinderbücher, bewerteten sie nach einem Punktesystem und diskutierten die Beurteilung. Rund 20 Bücher wurden verworfen, weil sie nicht den Kriterien entsprachen und für die jüdische Gemeinschaft im deutschsprachigen Raum nicht passend schienen.

Die Bücher sind für Familien unterschiedlicher jüdischer Denominationen geeignet.

Verworfen wurden Texte, die halachisch nicht in Ordnung waren oder Fehler bei der Schilderung religiöser Praktiken aufwiesen. »In einem Buch veranstaltete die Familie direkt nach dem Rosch-Haschana-Gottesdienst ein großes Picknick – das würde man eigentlich so nicht machen«, nennt Shira Rademacher ein Beispiel. Schließlich beginnen mit Rosch Haschana die zehn Tage der Umkehr, Teschuwa.

Auch Bücher, die falsche oder zu starre Rollenbilder transportieren, wurden aussortiert. Positiv wertete das Komitee ansprechend gestaltete Bücher, die die Diskussion und das gemeinsame Lernen in den Familien fördern.

AUSWAHL Die ausgewählten Bücher wurden für das Programm ins Deutsche übersetzt. Erhältlich sind sie derzeit nur über die PJ Library, nicht aber im Buchhandel. Auch die Übersetzungen sind eine Kunst für sich, weiß Rademacher. Nicht immer gelingt es, den Sprachwitz aus dem Englischen oder Hebräischen ins Deutsche hinüberzuretten. Um herauszufinden, ob die übersetzten Bücher den Kindern Spaß machen, las Shira Rademacher ihren eigenen Söhnen im Vorschulalter daraus vor.

Beim Versand der zehn Bücher pro Jahr wird darauf geachtet, dass sie thematisch zu den Jahreszeiten und jüdischen Feiertagen passen. Die Suche nach passenden Geschichten für kleine Leseratten geht ständig weiter.

www.pj-library.de

https://www.instagram.com/p/CBDU-i0lcJ3/



Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025

Literatur

Die Zukunft Israels hat längst begonnen

Der Schriftsteller Assaf Gavron stellte im Jüdischen Gemeindezentrum seinen aktuellen Erzählband vor

von Nora Niemann  14.04.2025