Opernball

Leipzig grüßt Israel

Auf dem roten Teppich vor der Leipziger Oper ist bei der Ankunft der Ballgäste einiges los. Die Schauspielerinnen Uschi Glas und Natalia Wörner sind da, Fernsehkommissar Richy Müller auch. Natascha Ochsenknecht hat sich mit ihrem Begleiter farblich abgestimmt, Sportjournalist Marcel Reif hat seine Frau am Arm und DJ Mousse T. seine Kopfhörer in der Hand.

Artig nehmen sie ihre Posen ein, während die Fotografen Anweisungen rufen: »Natascha, hierher!«, »Den Arm noch etwas höher, Uschi!«. Die weniger prominenten Gäste bahnen sich mehr oder weniger amüsiert einen Weg durch die Fotografierten und tragen im Gegensatz zu jenen Mäntel – es ist ja auch der 31. Oktober.

In all dem Trubel huscht auch einer der Ehrengäste des Abends unerkannt vorbei: Der israelische Botschafter Yakov Hadas-Handelsman mit seiner Frau Ida gibt sich die Ehre, schließlich lautet das Motto des Balls »Shalom Israel« – in Würdigung von 50 Jahren Diplomatie zwischen Israel und Deutschland.

»Die Idee, gerade im Partnerschaftsjahr einen solchen Akzent zu setzen, der beweist, wie bunt, wie musikalisch, wie farbenfroh Israel ist, das hat von vorneherein allen Leuten gefallen«, sagt Gabriele Goldfuß, die als Referatsleiterin für internationale Beziehungen im Leipziger Rathaus auch Mitglied des Organisationsteams ist. Es gehe, da sei sie sich mit dem israelischen Kulturattaché einig, darum, »obwohl wir den Holocaust nicht vergessen, trotzdem jetzt zu zeigen, was Israel und Deutschland heute verbindet und wo es auch in Zukunft hingeht«.

Tom Franz In der Praxis schlägt sich das Motto vor allem im koscheren Essen nieder, für das Starkoch Tom Franz zumindest teilweise verantwortlich zeichnet, dazu flimmern im Ballsaal Fotos von israelischen Sehenswürdigkeiten zwischen den Logos der Sponsoren über die Videoleinwände. Die mittelblauen Abendkleider der Hostessen sind an die Farben der israelischen Flagge angelehnt, ihre männlichen Kollegen tragen entsprechend blaue Halstücher zum weißen Hemd, wirken aber neben den Damen etwas underdressed, so ganz ohne Jacke.

Und die Stargäste – die Kochav-Nolad-Finalistin (eine Art »Israel sucht den Superstar«) Marina Maximilian und Sänger Ivri Lider – sind zwar hierzulande weitgehend unbekannt, in Israel hingegen Stars. Ivri Lider war an diesem Abend sogar doppelt gebucht: Gemeinsam mit Kim Fisher moderierte er den Abend und gab nachts noch ein Konzert mit seiner Band The Young Professionals.

Zur Einstimmung und ganz im Sinne der deutsch-israelischen Freundschaft sang Marina Maximilian ihren Song »Israel« – und das auf Deutsch. Eine Premiere für die 27-Jährige.

Flüchtlinge Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung sagte im Anschluss ein paar Worte und nannte es ein Wunder, dass man nach allem, was passiert sei, heute in Deutschland »Shalom Israel« feiern könne. Mit Blick auf den Rassismus und die Fremdenfeindlichkeit, die sich im Zuge der Flüchtlingskrise auch in Leipzig Bahn brechen, sagte der Sozialdemokrat, der wegen seines Engagements für die Integration von Flüchtlingen bereits Morddrohungen erhalten hat: »So wünschen wir uns diese Stadt. International und offen für alle.«

Botschafter Yakov Hadas-Handelsman formulierte in seiner Begrüßung gleich noch das inoffizielle Motto des Abends: »Wir vergessen nicht, wir gehen tanzen.« Dieser Satz – eigentlich der Titel einer Anthologie deutscher und israelischer Autoren – sei eine gute Zusammenfassung des komplizierten Verhältnisses zwischen Juden und Deutschen, sagte der israelische Botschafter.

Der Jüdischen Allgemeinen sagte Hadas-Handelsman, dass gemeinsames Feiern nur möglich sei, weil es in den vergangenen Jahrzehnten viel Arbeit auf beiden Seiten gegeben habe: »Die Deutschen haben sich ihrer Vergangenheit gestellt, sie haben Schuld und Verantwortung auf sich genommen.« Vor allem seien die diplomatischen Beziehungen in den vergangenen 50 Jahren nicht nur offizieller oder politischer Natur gewesen, sondern mit wirklichem Inhalt gefüllt. »Was letztlich zählt, sind menschliche Begegnungen und inhaltliche Zusammenarbeit.«

Freundschaft Politik und Diplomatie mögen diesen Abend möglich gemacht haben, doch heute soll unbeschwert gefeiert werden, und so wird dann recht schnell der Ball mit einem Walzer eröffnet. Das Motto kommt aber selbst bei denen, die von Berufs wegen auf vielen Bällen tanzen, gut an. Uschi Glas freut sich, »dass der heutige Abend der Freundschaft gewidmet ist« und wünscht sich Frieden für die Region, bevor sie mit ihrem Mann tanzen geht. Und auch Natascha Ochsenknecht fand es wichtig, »dass man trotzdem miteinander feiern kann, auch wenn es traurige Geschichten immer noch gibt, dass man das vielleicht für ein paar Minuten auch mal vergisst«.

Und gefeiert wurde dann ja auch: Während die Besucher mit Tischkarten im Ballsaal abwechselnd aßen, tanzten und sich das Rahmenprogramm ansahen, feierte das Fußvolk mit Flanierkarten schon etwas ausgelassener in den zahlreichen Lounges und Foyers der Oper. Hier gab es Musik von Disco bis Jazz, oft live und mindestens genauso oft aus der Dose. Und auch DJ Mousse T. kam im Laufe der Nacht noch dazu, seine mitgebrachten Kopfhörer zu benutzen.

Mazelprost Viele der Ballbesucher hatten aber statt Sekt- oder sonstiger Gläser Bierflaschen mit dem Aufdruck »Mazelprost« in den Händen. Dieses Getränk wurde von zwei Werbeagenturen aus Tel Aviv und Berlin erdacht und feierte am Samstag Premiere: »Mazelprost« vereint semantisch »Masel Tov« und »Prost« und inhaltlich Hummus und Bier.

Das schmecke weit weniger schlimm, als es sich anhört, bekundeten die Konsumenten. Letztlich ist es ein Bier, das neben Wasser, Hefe, Hopfen und Malz auch 20 Prozent Kichererbsen enthält. Ob Mazelprost aber das Zeug zum offiziellen Getränk der deutsch-israelischen Freundschaft hat, wie es die hübsch gestalteten Flaschen behaupten, muss die Zukunft zeigen.

Am Ende war es aber ein ganz normaler Ball, bei dem es eine Wohltätigkeitstombola und eine Modenschau mit Preisverleihung und ein paar Prominente zu bestaunen gab. Hauptsächlich ging es darum, zu tanzen, zu trinken und über die Garderobe der anderen zu reden. Es war, wie der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinde, Küf Kaufmann, sagte, »ein tolles Zeichen von Normalität«.

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