Die aktuelle Ausstellung im Kunstfoyer der Versicherungskammer, die einen Querschnitt durch das Lebenswerk eines der international renommiertesten Fotografen zeigt, trägt nicht ohne Grund den Titel Abe Frajndlich. Chameleon. Schon für die Frankfurter Präsentation hatte man diesen Titel gewählt, weil die Themenvielfalt wahrlich schillernd ist.
In München kamen – das großzügige Ausstellungsareal lässt dies zu – 40 weitere Werke, also insgesamt 191 Originalfotos, sieben Faksimiles und XXL-Plakate in Schwarz-Weiß und Farbe hinzu: (New Yorker) Straßenszenen, Porträts berühmter Berufskollegen von der Emigrantin Ilse Bing bis zur kamerascheuen Cindy Sherman, Künstler von Roy Lichtenstein bis Andy Warhol, Schauspieler von Jane Fonda bis Dennis Hopper, Schriftsteller von James Baldwin bis Isaac Bashevis Singer, Sänger von Leonard Cohen bis Yoko Ono, digitale Collagen und feinsinnige Aktbilder.
Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern mit einem großen Faible für Film und Fotografie, hatte sich auf die Begegnung mit dem Fotografen gefreut, doch er fehlte bei der Vernissage. Am Flughafen in Cleveland, wo der Weitgereiste heute lebt, stellte man fest, dass sein Pass nur noch 81 Tage statt der für Einreisen in die EU geforderten 90 Tage gültig war. Knobloch versöhnte die zahlreich erschienenen Gäste mit einem bemerkenswerten Grußwort.
Für sie sei das Chamäleon auch eine jüdische Allegorie, »wenn auch eine unfreiwillige«. Es sei »eine jahrtausendelange Geschichte von Vertreibung und Neuanfang, die Anpassung zur Norm macht – die Wandlungsfähigkeit fast erzwingt – ohne, dass diese Anpassung je zum Dauerzustand werden könnte«. Umgekehrt zwinge dieser Zustand ironischerweise »zum Leben in der Gegenwart. Das Hier und Jetzt bannen zu können, das ist die Magie des Fotos«. Frajndlichs Leben würde sich zur Verfilmung eignen. Geboren wurde er 1946 im Frankfurter DP-Lager Zeilsheim als Kind von Schoa-Überlebenden aus Lodz.
Der Vater wurde beim Trampen durch Deutschland ermordet. Die Witwe ging mit dem kleinen Abraham 1947 ins damalige Mandatsgebiet Palästina und kehrte mit ihrem zweiten Mann zurück, sodass es ein Foto von Abes Einschulung in Frankfurt gibt. Später ging es über Frankreich nach Brasilien, wo die Mutter einer Krebserkrankung erlag. Abe kam zur Schwester seines Stiefvaters nach Ohio. Das Ehepaar Simona und David Frajndlich adoptierte den Zehnjährigen, der heute sechs Sprachen spricht: Deutsch, Jiddisch, Hebräisch, Französisch, etwas Portugiesisch und natürlich Englisch. Mit zwölf bekam er seine erste Kamera.
Bis 1. April im Kunstfoyer, Maximilianstraße 53, täglich von 9.30 bis 18.45 Uhr. Eintritt frei. Als Begleitprogramm bietet das IKG-Kulturzentrum Führungen an für 5 Euro pro Person am 4. Februar und 3. März, jeweils 10 Uhr. Voranmeldung unter karten@ikg-m.de oder unter 089/202400-491.