Ausstellung

Heiraten im Jüdischen Berlin

Am Beispiel der Lebensgeschichten von Hochzeitspaaren aus den letzten 150 Jahren beleuchtet die Schau Einzelheiten jüdischer Hochzeiten (Symbolfoto). Foto: Eva Feldheim

Ein goldbestickter Baldachin ist unter der Kuppel des historischen Repräsentantensaals in der Neuen Synagoge in Berlin aufgespannt. Die Chuppa stammt aus dem Trausaal einer großen Synagoge in der Prinzregentenstraße in Berlin-Wilmersdorf.

Wie durch ein Wunder hat das kostbare Textil die Zerstörung der Synagoge am 9. November 1938 überlebt. Der Baldachin ist das prächtigste Exponat der Ausstellung »Unter dem Trauhimmel - Heiraten im Jüdischen Berlin« in der Stiftung Neue Synagoge - Centrum Judaicum in Berlin-Mitte, die am Sonntag eröffnet worden ist.

»Der Hochzeitsbaldachin steht für die Zeit vor der Schoa«, betont Chana Schütz, stellvertretende Direktorin des Centrums Judaicum und Kuratorin der Ausstellung. »Er erinnert zugleich an die weitgehende Zerstörung jüdischen Lebens durch die Nationalsozialisten und den zaghaften Neuanfang nach 1945«, fügt sie hinzu.

Mit Fotos und Dokumenten sowie weiteren Exponaten überwiegend aus eigenem Bestand nimmt die Ausstellung 150 Jahre jüdische Geschichte in Berlin bis heute in den Blick. Anlass sind das 350-jährige Jubiläum seit der Gründung der Jüdischen Gemeinde 1671 in Berlin in diesem Jahr sowie das 25-jährige Bestehen der Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum. Die 1866 errichtete Neue Synagoge im orientalischen Stil steht für das gewachsene Selbstbewusstsein der jüdischen Einwohner Berlins.

Während traditionell eine jüdische Hochzeit unter freiem Himmel stattfand, wurde in dem Gotteshaus in der Oranienburger Straße eigens ein Trausaal eingerichtet. Diesem Beispiel folgten die später errichteten großen Berliner Gemeindesynagogen.

Im Trausaal der Neuen Synagoge heiratete 1919 die Tochter des Warenhausbesitzers Oskar Tietz, wie eine Einladung aus Familienbesitz belegt. Ob das goldgeränderte Porzellanservice aus der Königlich-Preußischen Manufaktur in der Vitrine daneben mit Berliner Bauten als Dekor von der Familie in Auftrag gegeben wurde, ist nicht belegt. Bemerkenswert ist jedoch die Kaffeekanne, die eine Abbildung der Neuen Synagoge ziert.

Das Küchenstillleben des Berliner Malerfürsten Max Liebermann von 1873 entstand vermutlich anlässlich der Hochzeit seines älteren Bruders. Er zeigt sich selbst als fröhlichen Koch bei der Zubereitung des Familienessens. Das kleine Etikett an dem Huhn im Vordergrund belegt die Schlachtung nach koscherem Ritus. Das Originalgemälde hängt im Städtischen Museum Gelsenkirchen. Es durfte nicht reisen, da es unter dem Verdacht der NS-Raubkunst steht.

Am Beispiel der Lebensgeschichten von Hochzeitspaaren aus den letzten 150 Jahren beleuchtet die Schau Einzelheiten des jüdischen Rituals. Gezeigt werden Beispiele der Ketubba, dem Heiratsvertrag, der die Pflichten und Rechte der Ehepartner festhält - für die Frau zugleich eine soziale Absicherung, sollte die Ehe scheitern. Als Get wird der Scheidungsbrief bezeichnet, der nur mit Einverständnis beider Partner aufgesetzt werden kann und die Versorgung der Frau nach der Trennung regelt.

Besonders berührend sind diese Dokumente, wenn sie Einzelschicksale wie das der Eheleute Charlotte und Alfred Rosenthal beleuchten. Sie hatten 1922 geheiratet. Die Ehefrau war zum Judentum konvertiert, galt jedoch ab 1933 in der Rassenterminologie der Nazis als Arierin.

Der gemeinsame Sohn musste als »Halbjude« den Davidstern tragen und Zwangsarbeit leisten. Alfred Rosenthal war 1939 allein nach Schanghai emigriert. Um sich und den Sohn zu schützen, ließ sich Charlotte danach scheiden - die Familie überlebte. 1947 kehrte Alfred Rosenthal nach Berlin zurück und das Paar heiratete ein zweites Mal.

Die Geschichten, die sich mit Fotos und Exponaten rund um den Baldachin ziehen, spannen den Bogen bis in die Gegenwart. Ein traditioneller jüdischer Hochzeitsring ist die Leihgabe des langjährigen Direktors des Centrums Judaicum, Hermann Simon. 1988 hatten er und seine Frau Deborah diesen Ring, den der Mann während der Zeremonie der Frau an den Zeigefinger steckt, eigens für die Zeremonie fertigen lassen. Und schließlich belegen Fotos eines jüdischen Paares osteuropäischer Herkunft, dass im 21. Jahrhundert wieder nach altem Ritus geheiratet wird.

Lesen Sie mehr dazu in der nächsten Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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