»Koscherer Wein« – ein für Deutschland bisher einmaliges Projekt hat in dieser Woche als Kooperation des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, des baden-württembergischen Staatsweingutes Weinsberg, der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg und den Rabbinern von Württemberg und Baden das Licht der Welt erblickt.
Auf Einladung der CDU-Landtagsfraktion unternahmen Politiker, Önologen, Rabbiner und Pressevertreter zur Präsentation des Projektes ganz stilgerecht eine Fahrt auf dem Neckar. Die Produktion und Vermarktung koscheren Weins will ein Zeichen der Verbundenheit von 1700 Jahren jüdischem Leben in Baden-Württemberg und traditionellem Weinanbau im »Ländle« sein.
Peter Hauk (CDU), Landesminister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, ist begeistert, dass die erste Lese schon im Herbst dieses Jahres stattfinden und der erste Wein im kommenden Jahr angeboten werden kann. »Koscheren Wein zu produzieren, ist eine der wirksamsten Methoden, jüdisches Leben in die Mitte der Gesellschaft zurückzuholen«, sagte Hauk auf dem Neckarbesen-Floß der »Neckar-Käpt’n«-Schifffahrtsgesellschaft.
Lemberger 45 Hektar Rebenland werden im Staatsweingut Weinsberg bearbeitet, Rebsorten wie Riesling und Lemberger, Syrah und Burgunder, Sauvignon Blanc und Muskateller geerntet. Von einem knappen Hektar im Gewann »Himmelreich« sollen im kommenden Jahr etwa 3000 bis 4000 Flaschen Riesling und 2000 bis 3000 Flaschen Lemberger mit Koscher-Zertifikat produziert werden: schwere Arbeit in Steillage, wofür die Mitarbeiter des Staatsweingutes reichlich Hilfe brauchen werden. Sogar die Flaschenetiketten sind schon gedruckt. Und Minister Peter Hauk hält sich mit seiner Freude nicht zurück: »Das wird ganz normal, koscheren Wein anzubauen.«
Angesichts so viel Leichtigkeit mochte sich Yehuda Pushkin nicht zurückhalten. »Der Minister hat uns gerade erklärt, wie normal es ist, koscheren Wein anzubauen, aber ich muss sagen, so einfach ist es nicht«, sagt der Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW). Wein in der bürgerlichen Gesellschaft diene meist romantischen oder entspannenden Absichten, doch die Grundeinstellung im Judentum sei völlig anders, so Pushkin. Wein habe vor allem eine sakrale Bedeutung. Schon im Tempel von Jerusalem sei Wein als heiliges Getränk verwendet worden. Und der Tisch, an dem sich Menschen versammelten, werde bis heute als Altar betrachtet.
»Deshalb vertrauen wir die Produktion von Wein nur religiösen Menschen an, schon der kleinste Verstoß gegen die Vorschriften kann katastrophale Folgen wie eine unkoschere Weincharge haben«, betonte Pushkin. Schon die Weisen hätten gesagt: »Aller Anfang ist schwer« – weswegen der Rabbiner der IRGW schon über eine Koordinationsplanstelle für das Projekt nachdenkt. Im Buch der Psalmen stehe schließlich: »Und Wein soll dein Herz erfreuen.« Wein offenbare die leichte Seite der Heiligkeit. Der Wein käme und sage: »Hier bin ich, um dein Herz zu erfreuen und dir Leben zu schenken.«
»Das wird ganz normal, koscheren Wein anzubauen.«
Peter Hauk, Ernährungsminister
Landesrabbiner Moshe Flomenmann war eigens aus dem badischen Landesteil angereist, um »das freudige Ereignis zu feiern«. Allerdings gefalle ihm das Wort »Projekt« nicht. »Ein Projekt hat üblicherweise einen Anfang und ein Ende, wir möchten nach vorn schauen und langfristig handeln«, so Flomenmann.
unkenntnis Jüdisches Leben heute hieße, Leben zu vermitteln und zu gedenken. »Das größte Problem ist doch die Unkenntnis in weiten Teilen der Gesellschaft über das Judentum«, sagte Flomenmann. Mahnwachen seien gut, würden aber nicht weiterhelfen.
Er präsentierte das Koscher-Zertifikat und sagte: »Koscher heißt ›geeignet‹«, zu den 613 Ge- und Verboten im Judentum zählten auch die Kaschrut-Regeln. »Mit dem koscheren Wein können wir jüdisches Leben bekannt machen«, sagte der Landesrabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden.
Zum freudigen Anlass war auch Rami Suliman aus Pforzheim gekommen. Keine Minute habe der Minister über Antisemitismus gesprochen, nur über Wein und Freundschaft, sagte der Vorsitzendes des Oberrats der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden sichtlich erleichtert. Ein Gläschen koscheren Riesling von einem privaten Anbieter aus Rheinland-Pfalz probierend, meinte Suliman: »Der ist gut, aber ich bin sicher, unserer wird noch besser werden.«
Weinberg Indes: Es ist noch viel zu tun. So werden die Rabbiner Flomenmann und Pushkin nicht nur für die Zertifizierung des koscheren Weines zuständig sein, sie müssen auch für die Arbeiter im Weinberg sorgen – die sollen aus den Gemeinden kommen und gemeinsam mit anderen Lesern arbeiten. »Es gibt Arbeiten, die können nur jüdische Menschen machen«, gibt Rabbiner Flomenmann zu bedenken.
Keine großen Sorgen machen sich die beiden Rabbiner über die für nichtjüdische Menschen sehr streng wirkenden Anbau-, Ernte- und Verarbeitungsregeln. »Die strengen Regeln sind für Israel gemacht, in der Diaspora kann man nicht allem nachgehen.« Ganz zuversichtlich gibt sich Simon Bachmann vom Staatsweingut Weinsberg. »Die neue Technik ist da, und wir haben viele junge Leute als Auszubildende, Techniker und Studenten, sie werden lernen, was es heißt, koscheren Wein zu produzieren«, so der Önologe.
Initiator des Projektes »Koscherer Wein« ist die CDU-Fraktion des Landtags von Baden-Württemberg.
Initiator des Projektes »Koscherer Wein« ist die CDU-Fraktion des Landtags von Baden-Württemberg. »Als am 5. Juni 2021 ein Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm verübt worden war, sind wir hingefahren, der Ulmer Rabbiner Shneur Trebnik bedauerte, dass sich immer im Katastrophenfall die höchste Aufmerksamkeit auf die jüdische Gemeinschaft richte«, erinnerte Manuel Hagel, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. Dem wollte man eine kraftvolle Antwort auf der Basis von Strafrecht, Rechtsstaatlichkeit und Prävention entgegensetzen.
tradition »Jüdisches Leben ist mehr als Antisemitismus und Holocaust, ist Literatur, Musik, Kultur in langer Tradition«, so Hagel. Deshalb sieht auch Minister Peter Hauk in Anbau und Verarbeitung der Reben nach koscheren Regeln ein politisches Signal.
Diese Absicht teilt Rabbiner Yehuda Pushkin. »Wir könnten auch in unserem Garten Wein anbauen, aber das ist nicht dasselbe«, sagt Pushkin und fügt hinzu: »Man kann im Supermarkt koscheren Wein aus Moldawien oder Israel kaufen. Aber das ist nicht, was wir wollen. Wir wollen koscheren Wein aus Baden-Württemberg.« Darauf ein »Le Chaim«.