Olla hat Reichweite. Die braucht sie auch. Denn die Leadsängerin der Band Lechaim singt mitten hinein in den Trubel eines verkaufsoffenen Sonntags in der Düsseldorfer City. Mit einem Medley aus vor allem hebräischen Songs setzt die Band aus Berlin ein prägnantes akustisches Zeichen, das durch die umliegenden Ladenstraßen hallt.
Mit Erfolg: Die Freundinnen Shifra und Sarit, Anfang 50 und Anfang 40, aus Köln und Düsseldorf wollen eigentlich zum angesagten Fischmarkt am Rheinufer. Als sie aber auf dem Weg dahin auf die Band aufmerksam werden, machen sie einen Abstecher auf den zentralen Schadowplatz – und bleiben da.
Ein paar Minuten später tanzt Shifra – »eine coole Stimmung hier« – sichtlich begeistert vor der Bühne. Ihre Freundin und einige andere Besucherinnen und Besucher kommen bald dazu. Sängerin Olla freut sich sichtlich, den Bereich vor ihrer Bühne in Bewegung gebracht zu haben.
TRADITION Der Israeltag hat in vielen deutschen Städten eine lange Tradition. So auch in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. 2020 und 2021 musste die Veranstaltung coronabedingt pausieren. Im vergangenen Jahr wurde dann wieder mit viel Publikum gefeiert – allerdings noch unter Corona-Restriktionen. 2023 verläuft der Tag erstmals wieder wie vor der Pandemie – und das bei angenehmen 20 Grad.
Blau-weiße Fähnchen und Ballons prägen den Platz.
Beim Israeltag geht es vor allem darum, öffentlich Flagge zu zeigen. Die Gemeinde der rheinischen Großstadt und einiger umliegender Orte präsentiert sich mitten in der City als fester Bestandteil der Stadtgesellschaft. Ziel ist, zusammen mit den Partnern zu informieren und israelisches Lebensgefühl an den Rhein zu holen. Blau-weiße Fähnchen und Ballons prägen den Platz. Über der Bühne und auf den Aufstellern steht unübersehbar das Motto des Tages: »I like Israel«.
Die Reden beschränken sich auf das Notwendige: Bürgermeister Josef Hinkel (CDU) überbringt die Grüße der Stadt und gratuliert herzlich zum Staatsgeburtstag. Hinkel dankt der jüdischen Gemeinschaft für die aktive Teilnahme am Stadtleben. Wichtig ist ihm zu betonen, wie wertvoll die Hilfe der Jüdischen Gemeinde beim raschen Aufbau der Städtepartnerschaft Düsseldorfs mit der ukrainischen Stadt Czernowitz gewesen sei. Für die Stadt dankt er besonders für das Engagement der Gemeinde für Flüchtlinge. Unter die Besucher hat sich zu diesem Zeitpunkt auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) gemischt, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Deutschen Bundestag.
Der Vorstandsvorsitzende der Gemeinde, Oded Horowitz, erinnert an den Anlass des Tages, den inzwischen 75. Unabhängigkeitstag Israels: »75 Jahre ist für einen Staat, der sich immer wieder verteidigen muss, eine beachtliche Zahl, die für so viel Stärke und Zusammenhalt steht.«
REALITÄT Horowitz kommt auch auf die jüngsten Terroranschläge und Raketenangriffe zu sprechen: »In dieser Woche wurden weit über 100 Raketen auf Israel abgefeuert.« Der Vorstandsvorsitzende spricht auch von den Angriffen auf jüdische Einrichtungen in Deutschland und thematisiert den Judenhass, den man auf Straßen erleben könne. Dieser bitteren Realität müsse man mit Taten entgegenwirken und sich für ein vielfältiges, offenes und tolerantes Miteinander einsetzen. »In Israel wird vorgelebt, wie eine tolerante Gesellschaft aussehen kann. So kann, so muss es gehen«, sagt Horowitz.
Den Israeltag sehen die Veranstalter als einen Schritt auf diesem Weg. Er ist bewusst offen gestaltet. Als Partner sind die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die Spendenorganisation Keren Hayesod und der Jüdische Nationalfonds JNF-KKL mit Infozelten dabei.
Das Interesse an allen Ständen ist groß, besonders der Nationalfonds sorgt für Aufmerksamkeit. Das mag auch an den Give-aways liegen. Neben Informationen zu diversen Projekten gibt es unter anderem eine Israelkarte, Töpfe mit Gartenkräutern und ein Tütchen Sommerblumenmischung für Freunde heimischer Bienen.
FOODTRUCK Schaut man genauer auf die Schlangen an den Ständen, dann liegen zwei Angebote ganz klar vorn: Die Falafelteller vom Küchen-Team der Gemeinde, serviert aus einem chromglänzenden Foodtruck mit ordentlich Hummus für fünf Euro, und das Kinderschminken vom Jugendzentrum Kadima Düsseldorf.
Einen Falafelteller haben sich gerade Fabian und seine Freunde Elisabeth und Daniele mit dem einjährigen Sohn Alessandro schmecken lassen. Jetzt schauen sie sich das bunte Treiben an. Sie sind, wie viele andere Besucher auch, keine Gemeindemitglieder und freuen sich über die Aktion. »Ich besuche gelegentlich Veranstaltungen der Gemeinde«, erzählt Fabian (38).
Von Urlauben in Israel sei er so begeistert, dass er inzwischen Hebräisch lerne. Ein so offenes Zeichen für Israel mitten in Düsseldorf findet er prima. Emotionaler Höhepunkt des Tages sind schließlich Dutzende blau-weiße Ballons, die zu den Klängen der Hatikwa in den arg grauen Himmel emporsteigen.
Falafelteller und Kinderschminken liegen ganz klar vorn.
Danach zum Abschluss zu kommen, ist gar nicht so einfach. Während Sängerin Olla mit ihren Lechaims längst Feierabend hat und an den Infoständen zusammengeräumt wird, geht beim Kinderschminken der Hochbetrieb weiter. Beliebtester Look ist das bunte Schmetterlingsgesicht. Yael und Dascha vom Jugendzentrum Kadima haben mit dem Schminken schon einiges an Übung. Doch Lasse (5) aus Viersen möchte unbedingt in letzter Minute noch wie Spiderman aussehen. Eine Herausforderung.
Yael gibt sich große Mühe, den Kleinen zum Superhelden mit Netz-Optik im Gesicht zu machen. Weitere Kinder schauen mit großen Augen zu und hoffen, noch an die Reihe zu kommen, während Eltern den dunkler werdenden Himmel mustern. Nach knapp drei Stunden sorgt schließlich ein Regenschauer für das Ende des erfolgreichen Israeltages, der mehrere Hundert Besucher angezogen hat.