Spandau

Laubenpieper Einstein

Idylle im Burgunderweg 3 Foto: Hans-Peter Theurich

Über den Physiker Abert Einstein sind wir bestens informiert. Er wurde als Sohn jüdischer Eltern 1897 in Ulm geboren, veröffentlichte 1905 die Spezielle Relativitätstheorie und erhielt für die Entdeckung des photoelektrischen Effekts den Nobelpreis. Auch dass Einstein am liebsten Schuhe ohne Socken trug, gern auf seiner Violine spielte und ab 1929 im brandenburgischen Caputh am Schwielowsee ein Sommerhaus besaß, wo er sich vom Stress in Berlin erholte – all das gehört gewissermaßen zur Allgemeinbildung.

Weitgehend unbekannt war bislang, dass Albert Einstein zu den leidenschaftlichen Laubenpiepern gehörte, und zwar in Spandau. Anfang der 20er-Jahre pachtete der Wissenschaftler mit seiner zweiten Frau Else ein Häuschen in der Kleingartensiedlung an der Scharfen Lanke, einer Bucht der Havel. Die Spandauer Heimatforscher sind sich uneins, ob das Ehepaar schon 1920 oder erst 1922 das Domizil am Burgunderweg 3 bezog und wann sie es verließen.

Jedenfalls gab es nach kurzer Zeit Krach in der Siedlung Boxfelde (heute Bocksfelde). Albert Einstein genoss zwar während der Sommermonate die Entspannung im Holzhaus und segelte häufig mit seinem Boot über die Havel, aber er vernachlässigte den Garten sträflich. Von »Ackerbau und Viehzucht«, wie es die Statuten für die Schrebergärtner verordneten, hielt er herzlich wenig. Preußisch korrekt schickte das Bezirksamt Spandau im September 1922 eine Abmahnung an den Pächter und drohte damit, den Vertrag zu kündigen. Der Nobelpreisträger machte einen Kotau vor der strengen Behörde und versicherte in einem Brief, im nächsten Frühjahr alle erforderlichen Arbeiten auszuführen, weil »wir auch weiter an der Pachtung der Parzelle das groesste Interesse haben«.

Familie Einstein genoss offenbar die Idylle am Stadtrand und verbrachte dort mit seinen beiden Söhnen im Sommer 1922 die Ferien. Er schrieb: »Die Buben sind da und hausen in meinem Spandauer Schloss. Ich pendle so hin und her zwischen der Stadtwohnung und dem Schloss, das sich im Gegensatz zu meiner Jolle als wasserdicht erweist.«

Zeitzeugen haben berichtet, dass Einstein abends häufig am Stammtisch im Gartenlokal der Geschwister Feuerherd an der Boxfeldstraße saß. Leider ist nicht überliefert, ob der geniale Physiker Skat-Brüdern in die Karten linste und heimlich Tipps für einen gepflegten Ramsch oder Grand mit Vieren gab.

Im Nachhinein wirkt die Spandauer Phase im Leben des Albert Einstein wie schieres Glück, schrieb er doch: »Tiefe des Denkens gedeiht nicht neben der Geschäftigkeit. Deshalb ist das Leben in der Großstadt nichts für Forscher und Studenten.« Die sommerlichen Rückzüge aus Berlin hatten allerdings auch einen düsteren Hintergrund. Am 24. Juni 1922 wurde Reichsaußenminister Walther Rathenau von rechtsextremen Antisemiten im Grunewald erschossen. Albert Einstein war mit dem Politiker befreundet und erhielt nach dem Attentat Morddrohungen.

Stadt Fühlte sich Albert Einstein seines Lebens sicher, als er mit dem Boot von Spandau über die Scharfe Lanke zu seinem Freund Janos Plesch in Gatow schipperte, einem ungarischen Mediziner? Angeblich freuten sich vorbeifahrende Wassersportler, wenn der Physiker dort in der Villa Lemm mit seiner Geige spielte. Die vermeintliche Idylle in der spießbürgerlichen Kleingartenkolonie bekam Risse. Das belegt auch der Streit um ein geplantes Geschenk der Stadt Berlin zum 50. Geburtstag des Physikers: ein Sommerhaus. In den Zeitungen tobte 1929 eine erbitterte Diskussion mit Für und Wider. Bis Albert und Elsa Einstein kurzerhand eine bescheidene Sommerresidenz in Caputh bei Potsdam kauften. Es ist heute ein Magnet für Touristen: das Einstein-Haus.

Immerhin hat sich dieser Tage der Bezirk Spandau dazu aufgerafft, den einstigen Laubenpieper zu würdigen. Am Rande der Wochenendsiedlung Bocksfelde enthüllte Bürgermeister Konrad Birkholz eine Gedenktafel aus Metall, die an Albert Einsteins Jahre an der Scharfen Lanke erinnert. Die Idee dazu stammt vom Vorsitzenden des Siedlungsvereins, Klaus Laschner. Er pflegt zu dem 1955 in Amerika gestorbenen Physiker ein besonderes Verhältnis: Bei Festivitäten in Berlin trat er mehrfach als Double von Albert Einstein auf.

Wenige Schritte von der Gedenktafel an der Promenade entfernt: Burgunderweg 3. Hinter einem Jägerzaun das ehemalige Domizil der Familie Einstein. Es wirkt heute noch wie eine Idylle.

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