»Schalom Aleikum«

Lasst uns reden!

Wie kann muslimisch-jüdischer Dialog in Deutschland im Jahr 2019 gelingen? Diese Frage stand im Zentrum der Veranstaltung »Starting Dialogue« am vergangenen Mittwochabend. Mit der Diskussionsrunde in der Kalkscheune in Berlin-Mitte hat der Zentralrat der Juden in Deutschland sein neues Projekt »Schalom Aleikum. Jüdisch-muslimischer Dialog« offiziell gestartet.

Das religionsübergreifende Dialogformat, das von der Staatsministerin und Bundesintegrationsbeauftragten Annette Widmann-Mauz (CDU) unterstützt wird, soll durch offenen Austausch Menschen verschiedener Herkunft zusammenbringen und somit auch antisemitischen Ressentiments entgegenwirken.

IDENTITÄT Im Fokus der Auftaktveranstaltung in Berlin standen jüdische und muslimische Jungunternehmer und Start-up-Gründer, die sich über ihre kulturell-religiöse Identität im modernen beruflichen Kontext austauschten. Zum Mitdiskutieren waren an diesem Abend rund 150 Personen in die Kalkscheune gekommen.

Frauenrunden sind ebenso
geplant wie Foren mit
Sportlern und Jugendleitern.

»Mit unserem Projekt wollen wir die Funktionärsebene verlassen und Menschen vor Ort und generationsübergreifend dort abholen, wo sie gerade im Leben stehen«, sagte der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden in Deutschland, Daniel Botmann, zum Startschuss von »Schalom Aleikum«. »Der gemeinsame Dialog soll zum Abbau von Vorurteilen führen«, so Botmann weiter, »das ist das Kernanliegen des Projekts.« Zentrale Idee dabei sei es, unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen Raum zum Austausch zu geben. »Menschen, die mit beiden Beinen auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, können gegen Antisemitismus immunisiert werden«, sagte Botmann.

Während die jungen Unternehmer den Auftakt zum Gespräch gemacht haben, sind in den kommenden Wochen und Monaten deutschlandweit weitere Dialogrunden mit Sportlern, Jugendleitern, Studierenden, Pädagogen, Sozialarbeitern sowie jüdischen und muslimischen Frauengruppen geplant. »Unsere Hoffnung ist, dass sich jeder Dialog vervielfacht und die Teilnehmer der Gesprächsrunden als Multiplikatoren in die Gesellschaft hinein fungieren«, sagte der Zentralratsgeschäftsführer.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Die Leiterin des Referats für Gesellschaftliche Integration bei der Bundesintegrationsbeauftragten, Honey Deihimi, lobte den Zentralrat für seine Initiative zu »Schalom Aleikum«. »Der Dialog ist immer noch die beste Form, damit sich Menschen auf Augenhöhe begegnen können«, sagte Deihimi. Sie hofft, dass das Projekt einen Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland leisten wird. »Viel zu lange hat in Deutschland eine Verharmlosung von Antisemitismus stattgefunden«, so Deihimi.

START-UP Nach den einleitenden Worten kamen jüdische und muslimische Start-up-Gründer zu einer Diskussion im Townhall-Format zusammen auf die Bühne. Spannend wurde es gleich zum Einstieg, als die Fernsehjournalistin und Moderatorin des Abends, Shakuntala Banerjee, die jungen Leute fragte, welche Rolle ihr religiöser Hintergrund für ihre unternehmerischen Tätigkeiten spiele.

»Ich glaube schon, dass meine deutsch-jüdische und israelische Identität und die vielfältige Prägung, die sich daraus ergibt, Ansporn für meine Karriere waren und sind«, antwortete Nelly Kranz auf die Frage. Die 26-Jährige ist in München geboren und ist Gründerin von »Nelly’s Network«, einem Unternehmen, das sich auf die Organisation themenspezifischer Delegations- und Bildungsreisen nach Israel für deutsche Politiker und Wirtschaftsvertreter spezialisiert hat. »Ich bin sowohl von der deutschen Zuverlässigkeit als auch von der orientalischen Spontaneität geprägt«, sagte Kranz. »Das sind sicherlich nicht die schlechtesten Eigenschaften für den unternehmerischen Erfolg.«

Spannend war die Frage,
welche Rolle die Religion
für das Unternehmertum spielt.

Für die Muslima und Modemacherin Naomi Afia Günes-Schneider übernimmt die Religion eine wichtige Funktion in ihrem Alltag. »Ich habe mich bewusst dafür entschieden, Kopftuch zu tragen und dadurch meine Religion offen zu zeigen«, sagte Günes-Schneider. Die gebürtige Österreicherin hat an der Wiener Mode- und Kunstschule studiert und ist derzeit dabei, ihr eigenes Label für sogenannte Modest Fashion zu gründen. »Modest Fashion beschränkt sich für mich nicht nur auf Musliminnen und Muslime, sondern ist ein Konzept, das auch für christliche und jüdische Frauen interessant sein kann«, erläuterte Günes-Schneider ihren Designansatz. Bei ihrer Mode gehe es um Kleidungsstücke, mit denen sich die Trägerin durch weitere Schnitte und intransparente Stoffe nicht allzu freizügig, aber dennoch modisch bewusst anziehen könne. »Meine Identität als schwarze Frau und sichtbare Muslimin ist der Ausgangpunkt für meine Arbeit«, sagte die junge Modemacherin.

AUSTAUSCH Auf die Frage angesprochen, welche Bedeutung der Dialog mit ihren jüdischen beziehungsweise muslimischen Kollegen für die jungen Unternehmer hat, war die Meinung einhellig. »Sich mit Menschen auszutauschen, die sich aufgrund ihres Alters und ihrer persönlichen Geschichte in einer ähnlichen Lebenssituation wie man selbst befindet, ist sehr interessant«, sagte die Geschäftsfrau Kranz. »Ich glaube, dass solche Gespräche zum Abbau von Barrieren beitragen können.« Günes-Schneider stimmte ihrer Kollegin zu. »Ich finde es schön, dass wir uns in diesem Rahmen einfach mal austauschen, kennenlernen und miteinander in Kontakt treten können.«

Es ist ein Austausch
von oft Gleichaltrigen
in ähnlichen Situationen.

Und auch Boris Moshkovits, ein jüdischer Unternehmer aus Berlin, der mit seiner Firma »aleph Sana« medizinisches Cannabis importiert, zeigte sich von der Diskussion begeistert. »Ich finde es großartig, dass wir als Individuen und nicht als Repräsentanten irgendwelcher Organisationen aufeinander zugehen können«, sagte er.

Wichtig ist es aus seiner Sicht, die Veranstaltung und die Gespräche zu nutzen, um den Dialog »in die Familie, den Freundeskreis, den Sportverein« hineinzutragen, wie Moshkovits sagte. »Ich bin der festen Überzeugung, dass das Gespräch mit anderen Menschen dazu beiträgt, das Schubladendenken – das wir ja alle aus bestimmten Situationen kennen – zu überwinden.«

www.zentralratderjuden.de

Ruhrgebiet

»Und weil er hofft und liebt«

Recklinghausen gedachte des Gemeindegründers Rolf Abrahamsohn an dessen 100. Geburtstag

von Stefan Laurin  16.03.2025

Ausstellung

Fragile Existenz

Das Jüdische Museum Berlin zeigt historische Fotos aus den Gemeinden der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit

von Eugen El  16.03.2025

Gedenken

Der vergessene Ingenieur

Die Stadt setzt Erinnerungszeichen für Arthur Schönberg, den Mitbegründer des Deutschen Museums, und drei Angehörige seiner Familie

von Luis Gruhler  16.03.2025

Frankfurt

Bildungsarbeit gegen Rassismus und Fake News

Antisemitismus im Keim ersticken - das versucht das Jüdische Museum mit einer Workshop-Reihe an Schulen

von Lukas Fortkord und Ina Welter  16.03.2025

Porträt der Woche

Die Zuhörerin

Mariya Dyskin ist Psychologin und möchte sich auf Kriegstraumata spezialisieren

von Gerhard Haase-Hindenberg  16.03.2025

Berlin

Staatsanwaltschaft: Deutlich mehr antisemitische Straftaten

Im vergangenen Jahr wurden 756 Fälle registriert

 16.03.2025

Erfurt

Israelischer Botschafter besucht Thüringen

Botschafter Ron Prosor wird am Montag zu seinem Antrittsbesuch in Thüringen erwartet

 15.03.2025

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025