Abschied vom Werbellinsee: Nach vier intensiven Tagen mit mehr als 120 Workshops, Seminaren und Diskussionen ist das jüdische Lernfestival Limmud am Sonntagabend zu Ende gegangen. Etwa 350 Teilnehmer aus dem In- und Ausland hatten das lange Wochenende vor Schawuot auf dem Gelände der Europäischen Jugendbegegnungsstätte verbracht, die zu DDR-Zeiten als »Pionierrepublik Wilhelm Pieck« bekannt war und an eine riesige Jugendherberge erinnert.
Das Limmud-Festival wird in Deutschland bereits seit sechs Jahren veranstaltet – nach einem Intermezzo im vergangenen Jahr an der Jüdischen Oberschule in Berlin nun wieder am mittlerweile vertrauten Ort in der Brandenburger Schorfheide. Aus finanziellen Gründen fiel die Veranstaltung diesmal kleiner aus als bisher. Doch das tat der Stimmung keinen Abbruch: Der Altersdurchschnitt beim Limmud-Festival war niedriger denn je.
Familiär Junge Familien mit Kinderwagen flanierten über das Gelände, die Kleinen backten Challot und übten sich im Töpfern. Die gut organisierte Kinderbetreuung war ausgebucht. Es gab sogar einen Babysitterservice für die Abende. Auch etwa 50 Studenten des Ernst Ludwig Ehrenberg Studienwerks (ELES), die zusammen mit dem Rabbiner der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, Shaul Friberg, gekommen waren, verliehen dem viertägigen Lernfestival eine familiäre und gleichzeitig lebhafte Atmosphäre.
»So jung wie diesmal waren wir noch nie«, sagte Alexander Smolianitski, Vorsitzender von Limmud.de. Auch die Zahl der Besucher, die zum ersten Mal gekommen waren, sei gestiegen.
Seine Bilanz des Festivals fiel positiv aus: »Wir waren alle sehr zufrieden.« Dennoch sei es sein Wunsch, dass in Zukunft so viele Menschen wie möglich an Limmud teilnehmen könnten.
Im Vergleich zu den vergangenen Jahren wirkten die diesjährigen Limmud-Themen, abgesehen von einer Diskussion mit Avner Gvaryahu von der Organisation »Breaking the Silence« aus Israel, die sich mit moralischen Dilemmata israelischer Soldaten in den besetzten Gebieten auseinandersetzte, insgesamt weniger kontrovers als in den Vorjahren.
Bis auf Ágnes Heller, Micha Brumlik, Reuven Firestone und Rabbinerin Ruth Sohn gab es diesmal auch wenig »jüdische Prominenz«. Das rege Interesse an den Workshops wurde dadurch aber nicht gemindert. Vielfach standen Erziehungs- und Familienthemen im Vordergrund: In einer kleineren Runde erörterten Frauen etwa die Vor- und Nachteile eines Mehrgenerationenhauses.
Gene Gut besucht war eine Veranstaltung der Biologin Bettina Schwitzke, ebenfalls Stellvertreterin von Limmud.de, die nachwies, die Existenz eines jüdischen Gens, das SPD-Politiker Thilo Sarrazin einst in einem Interview erwähnt hatte, sei wissenschaftlich nicht haltbar. Forscher, die das Gegenteil behaupteten, seien bisher stets widerlegt worden: »Ich glaube nicht, dass man irgendetwas findet, was alle Juden gemein haben. Aber es ist spannend, dass man danach sucht«, sagte Schwitzke.
Die meisten Teilnehmer lobten die familiäre Atmosphäre und die Limmud-typische Toleranz zwischen liberalen und orthodoxen Juden, die den Samstagabend gemeinsam mit einer Hawdala-Zeremonie ausklingen ließen. Man wolle das gesamte jüdische Spektrum von säkular bis orthodox abdecken, betonte Alexander Smolianitski: »Limmud ist eine Plattform. Wir bieten einen Rahmen an, und jeder kann ihn mit Inhalt füllen.« Und Toby Axelrod ergänzte: »Limmud ist, was die Teilnehmer daraus machen.«
www.limmud.de