Es war eine weite Reise, aber sie war ihm wichtig, und so ist Enrique Mayer heute aus den USA nach Hamburg gekommen. Steht nun im Kunsthaus vor einem Foto, das ihn zusammen mit seiner Schwester zeigt, wie sie vor zwei Stolpersteinen hocken, die sie für ihre Hamburger Großeltern haben legen lassen.
Die Großeltern wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und kamen dort ums Leben. Mayer hat nach dem Krieg den Kontakt nach Hamburg wieder aufgenommen. »Meine Schwester ist mehr Feministin als ich«, witzelt er nun vor Publikum. Und so habe sie gesagt: »Okay – ein Stolperstein für Großvater. Und was ist mit Großmutter?«
Würde Das Foto, das die beiden zeigt, hängt nicht nur in der frisch eröffneten Ausstellung »Stolpersteine und ihre Angehörigen«, sondern ist zugleich das Titelbild des gleichnamigen Bildbandes der Fotografin Gesche Cordes. Es ist ein berührendes Buch – und es ist schön, obwohl es um die Vernichtung der Hamburger Juden geht.
Cordes ist es gelungen, die Angehörigen bei der Verlegung der Steine zugleich würdevoll wie individuell so abzulichten, dass am Ende 70 Bilder Lebensmomente der Erinnerung zeigen und die Fotos nie aneinandergereiht oder beliebig wirken.
Zugleich bieten Buch und Ausstellung Gelegenheit, über das Projekt Stolpersteine des Kölner Künstlers Günter Demnig Bilanz zu ziehen. 30.000 gibt es mittlerweile von ihnen – Hamburg ist mit gut 4.000 Gedenksteinen so etwas wie die Hauptstadt. Dabei war und ist das Projekt durchaus umstritten: Die jüdische Gemeinde in München etwa lehnt sie bis heute ab.
Peter Hess, der in Hamburg die Verlegung der Steine koordiniert, sieht es so: »Selbstverständlich ist es zu respektieren, wenn Angehörige keinen Stolperstein legen lassen wollen, weil sie die Vorstellung nicht ertragen, dass vielleicht einmal Skinheads mit ihren Stiefeln über die Steine trampeln und sie beschmutzen.
Aber es kann doch umgekehrt nicht sein, dass etwa in München Bürgermeister Christian Ude die Verlegung nicht erlaubt, nur weil die dortige jüdische Gemeinde dagegen ist – während zugleich Angehörige einen Stolperstein wollen.« In Hamburg sei es übrigens noch nicht ein Mal vorgekommen, dass eine Steinlegung auf Wunsch der Angehörigen nicht erfolgte. Jedesmal hätten diese zugestimmt und wären meist persönlich gekommen – auch von jenseits des Atlantiks.
Wirkung Wie nachhaltig eine Stolpersteinverlegung wirken könne, erzählt Gesche Cordes am Bespiel des ehemaligen Bürgermeisters Ole von Beust. »Seit Herr von Beust die Steine für seine jüdische Familie mütterlicherseits hat legen lassen, erzählt er ganz offen von ihr – und auch davon, wie die Familiengeschichte lange verschwiegen und verdrängt wurde.«
Dabei erleben Cordes, Hess und ihre Mitstreiter bei der Verlegung immer wieder unschöne Szenen: Gerade in großbürgerlichen Wohngegenden würden sie oft beschimpft, so Hess. Ihnen werde gedroht, man reiße die Steine wieder heraus. Der Hintergrund: »Man möchte nicht, dass die Kinder oder Kindeskinder mit Blick auf ehemalige jüdische Bewohner fragen: ›Sagt mal, wo hat unsere Familie eigentlich dieses Haus oder diese große Wohnung ursprünglich her?‹«
Bei der Suche nach biografischen Daten von Juden seien sie von den Historikern als Laien arrogant belächelt worden. Heute aber gäbe es für jeden Stadtteil umfangreiche Dokumentationen über die jüdischen Bürger.
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