Zwei Jungs verprügeln einen dritten, einfach, weil ihnen sein Aussehen nicht passt. Plötzlich greift ein vierter Junge beherzt ein, überwältigt die beiden und weist sie scharf zurecht. Die sehen letztlich ein, dass sie im Unrecht sind, und zum Schluss spielen alle vier zusammen Fußball.
So einfach wie in dieser Spielszene, aufgeführt von Schülern der Nelson-Mandela-Schule in Berlin-Wilmersdorf, lassen sich solche Konflikte im echten Leben vermutlich selten lösen. Die dem Kurzstück zugrunde liegenden Erfahrungen müssen aber auch Kinder tatsächlich immer wieder machen: Ausgrenzung, Mobbing und Gewalt.
On Tour Das sind auch die Themen, die in der Workshop-Reihe von »DAGESH on Tour« in verschiedenen Schulen im ganzen Bundesgebiet thematisiert werden. Seit Juni 2020 verfolgt das Bildungsprogramm, das vom Bundesbildungsministerium gefördert wird, das Ziel, Kinder und Jugendliche für verschiedene Formen der Diskriminierung zu sensibilisieren. Der Kampf gegen Antisemitismus und das Kennenlernen jüdischer Lebenswirklichkeiten bilden dabei einen Schwerpunkt.
»Unser Programm ermöglicht im direkten Austausch mit den Künstlern und uns, jüdische Biografien kennenzulernen. Die Jugendlichen haben so viele Fragen, sie sind neugierig. Das überrascht und freut uns immer wieder«, erklärt Yana Lemberska, Referentin von DAGESH.
An mehreren Tagen erarbeitet das Team von »DAGESH on Tour«, darunter immer ein Künstler oder eine Künstlerin, mit den Kindern einer Klasse auf spielerische und künstlerische Weise, wie vorurteilsbasierte Diskriminierung aussieht und wie man sich dagegen wehren kann.
Der Träger der Workshops gegen Diskriminierung und für Zivilcourage ist DAGESH, ein Programm der Leo Baeck Foundation (LFB), das jüdische Künstler unterstützt und jüdische Perspektiven auf Kunst und Kultur entwickelt und verbreitet. Aus dem Pool von DAGESH kommen auch die Künstler, die bei der Umsetzung des hauseigenen Bildungsprogramms helfen.
Herkunft In der vergangenen Woche war die Schauspielerin Elina Schkolnik in der Nelson-Mandela-Schule zu Gast. Sie steht kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung an der Filmuniversität Babelsberg. »Als ich gefragt wurde, ob ich mithelfen möchte, war ich von der Idee sofort begeistert«, erzählt die 27-Jährige. Als Schülerin habe sie aus Angst, von ihren Mitschülern angefeindet zu werden, ihre jüdische Herkunft lange verschwiegen. »Als Kind hätte ich mir einen solchen Workshop, wie wir ihn jetzt machen, auch gewünscht!«
Am ersten Tag des Workshops ging es darum, dass sich das DAGESH-Team und die 25 Jugendlichen der Klasse 7d miteinander vertraut machen, schließlich sollte es auch um sensible Themen gehen. Mit Spielen wie »Identitätstorte« oder »Eisberg« wurden die verschiedenen Dimensionen von Identität und Vorurteilen gegen Menschen, die andersartig wirken, erarbeitet.
Dabei zeigte sich, dass die Oberfläche oft trügt: Von der äußeren Erscheinung der Menschen kann man nicht auf deren Charakter und innere Einstellung schließen – und auf deren Wert schon gar nicht.
Workshop Der nächste Tag war der Projektphase gewidmet, in der die Schüler einen eigenen, künstlerischen Ausdruck für das Thema des Workshops finden sollten. Da mit Elina Schkolnik eine Theater-Expertin anwesend war, lag der Schwerpunkt dabei auf den Performance-Künsten. In der Vergangenheit hat »DAGESH on Tour« auch schon mit bildenden Künstlern oder Filmemachern gearbeitet, an deren Arbeitsfeld der Workshop entsprechend angepasst wurde.
Zum Finale der beiden Tage konnten schließlich fünf Stücke auf die Bühne gebracht werden, darunter ein kurzes Kriegsdrama, eine Capoeira-Einlage und ein Sketch über rassistische Omas.
Die eingangs beschriebene Szene geht auf ein Ereignis zurück, das der 13-jährige Oisin selbst erlebt hat. Er glaubt: »Unter Jugendlichen fehlt leider oft die Sensibilität gegenüber Mobbing.« Bei dem Workshop von »DAGESH on Tour« habe er viel gelernt, unter anderem, wie man noch besser deeskalierend auf eine Gewaltsituation einwirken kann.