Diese Blase zerplatzt nicht. Ihr geht nur ab und zu die Puste aus. Mit ihrer schimmernden Haut erinnert diese Kugel irgendwie an ein Ufo, das aus Versehen mitten in Frankfurt gelandet ist. Eine starke Inszenierung, und das in direkter Nachbarschaft zum Opern- und Schauspielhaus und zu den Bankentürmen.
»Pop Up Monument« nennt sich diese temporäre soziale Skulptur des Künstlerkollektivs »raumlaborberlin«, mit der das Jüdische Museum Frankfurt in der Zeit seines Um- und Neubaus in der Stadtgesellschaft sichtbar Präsenz zeigt. Im vergangenen Jahr hatte das Museum vorübergehend einen Maindampfer geentert und dort ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm in Szene gesetzt.
Wanderschaft Ob Boot oder Luftballon – beide Exile erinnern zudem an den jüdischen Topos der Wanderschaft und der temporären Bauten. So wird auch die transluzide Kugel nur für elf Tage auf dem Willy-Brandt-Platz bleiben, wenige Schritte von der Baustelle des Jüdischen Museums entfernt. In ihrem Innern ist Raum für viele Aktionen und Veranstaltungen. Durch die leicht milchigen, transparenten Plastikwände wirkt die Welt draußen verfremdet, entrückt, so als wären die Konturen mit einem Weichzeichner nachgezogen worden. Auch der Straßenlärm dringt nur gedämpft hinein. Man fühlt sich geschützt und dünnhäutig zugleich, ist nahe am Geschehen ringsum und doch wie durch eine gläserne Wand getrennt davon – Metapher für die Situation der jüdischen Bevölkerung in Frankfurt?
»Die Aura dieses Monuments lässt an die Zelte zu Zeiten der Wüstenwanderung denken«, sagte die Direktorin des Jüdischen Museums Frankfurt, Mirjam Wenzel, bei der Eröffnung des Monuments. »Und es erinnert gleichzeitig an die Zerbrechlichkeit jüdischer Orte. Heute erfordert es mehr Mut als noch vor nicht allzu langer Zeit, sich als Jüdisches Museum so transparent und verletzlich in den öffentlichen Raum zu stellen.«
Erkundungen Die »Fragilität und Pluralität jüdischer Orte« ist auch eines der beherrschenden Themen dieses »Pop Up Monuments«. Denn die Luftblase dient als Ausgangs- und Zielpunkt für Stadterkundungen, zum Beispiel unter Führung bekannter jüdischer Persönlichkeiten wie Michel Bergmann und Gila Lustiger oder der Leiterin der Judaica-Abteilung der Unibibliothek, Rachel Heuberger, die »ihr« Frankfurt vorstellen wollen.
Aber die Kugel soll auch ein Laboratorium sein für die neue Dauerausstellung des künftigen Museums, indem sie den Bürgern die Möglichkeit zur Partizipation bei deren Gestaltung eröffnet. Interessierte können sich nicht nur anhand von ausgewählten Einzelgegenständen aus der Museumssammlung, Raumplänen und dreidimensionalen Modellen einen Eindruck vom aktuellen Stand der Umbau- und Ausstattungsarbeiten verschaffen, sondern auch eigene Vorschläge für die inhaltliche Konzeption machen. So werden etwa die Biografien bedeutender jüdischer Persönlichkeiten vorgestellt.
Orte Aus dieser Auswahl kann sich jeder eine Person aussuchen, die er »gerne näher kennenlernen würde«, und auf einer Postkarte notieren. Eine weitere Frage lautet: »Was ist ein jüdischer Ort für Sie?« Als Antwort hat man die Möglichkeit, auf einer großen Stadtkarte von Frankfurt Plätze, Häuser, Straßen oder Viertel einzukreisen und in einem Text zu erklären, warum es sich dabei um jüdische Orte handelt. Parallel dazu können in den Sozialen Medien Fotos aufgerufen werden, die ebenfalls jüdische Orte in Frankfurt zeigen.
Lesungen, Diskussionen, Filmvorführungen und Workshops, auch für Kinder, ergänzen das Programm. »Menschen, egal, ob groß oder klein, mit und ohne Migrationshintergrund – alle sollen sich hier wohlfühlen«, sagt Museumsdirektorin Wenzel. Und auch Marc Grünbaum, Kulturdezernent der Frankfurter Gemeinde, der wie auch der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann zur Eröffnung gekommen war, wünschte sich »viele Besucher und viele fruchtbare Gespräche« im Innern der Blase.