Für heute Abend haben sich noch zwei Kunden angekündigt, ihre Torten stehen für sie schon auf dem Tisch. Stephanie Illouz beobachtet derweil durch ihr Herdfenster zwei Kuchenböden – kurzer Check, ob sie gut durchbacken. In ihrer Küche im Kreuzberger Bergmannkiez, die sie sich mit anderen Kleinunternehmerinnen teilt, bereitet die 31-jährige Israelin Kuchen, Cupcakes und allerlei andere Backwaren zu.
Vor etwas mehr als drei Jahren kam Illouz über eine kurze Station in Belgien aus Israel nach Berlin. »Ich war zuvor schon mal für einen Sommer in der Stadt und fand es toll«, erzählt sie. Sie hatte zuerst als Bühnenbildnerin gearbeitet und sich dann mit ihren Kuchenkreationen selbstständig gemacht. Der Weg von ihrem vorherigen Job zur Bäckerin war nicht weit, denn Illouz’ Kuchen sind selbst kleine Kunstwerke. Auf der Fotoplattform Instagram wird sie bisweilen auch als »cake artist« – also als »Kuchenkünstlerin« – bezeichnet.
»Cakes Berlin« Die erste Kundin staunt, als sie ihren Kuchen entgegennimmt. »Das sieht unglaublich aus!« In einer weißen Pappverpackung mit der Aufschrift »Cakes Berlin« türmen sich vier zylinderförmige Glasurschichten, verziert mit Blumen. Stephanie Illouz backt ausschließlich auf Bestellung. Mit den Interessenten führt sie kurze Gespräche, befragt sie etwa zu ihren Hobbys oder ihren Berufen, nimmt Wünsche entgegen. Ausgehend davon modelliert Illouz ihre Werke. »Das hier ist eine Geburtstagstorte für eine Designerin.«
Die Torte wirkt schlicht und elegant. Wörter, die vielleicht nicht immer mit angefertigten Kuchen in Verbindung gebracht werden, aber Illouz ist eben mehr als nur eine Bäckerin. Sie gestaltet ihr Gebäck. Das hat dann auch seinen Preis. Ein kleiner Kuchen kostet 65 Euro, ein etwas größerer, der aus zwölf Stücken besteht, 90 Euro, die großen können auch bei 150 Euro liegen. »Nach oben hin gibt es keine Grenze«, sagt sie. Koscher oder vegan sind Stephanie Illouz’ Kuchen zwar nicht, aber das Mehl, die Milch oder etwa die Schokolade sind von bester Qualität. »Ich gebe auch immer meine geheime israelische Zutat hinzu.«
Israel ist bekannt für schmackhaftes Gebäck. Was für sie typisch israelisch ist, das kann Illouz nicht sagen. Ihre Mutter stammte aus Frankreich. Schon als Kind hat sie ihr immer schon beim Backen zugesehen und sich alles gemerkt: Wann was hinzukommt, wie lange der Teig im Ofen bleibt oder wie der Boden richtig zu machen ist. »Vielleicht haben meine Kuchen also eher etwas Französisches.« Andere israelische Bäcker in Berlin sieht Illouz nicht als Konkurrenz. »Die machen andere Sachen. Und wir kommen uns nicht in die Quere.«
Die junge Frau kann selbstbewusst sein; Illouz’ Kuchen sind begehrt, und in guten Wochen verkauft sie schon einmal zehn oder zwölf davon. Für Geburtstage, Firmenfeiern, in erster Linie aber für Hochzeiten. Im vergangenen Jahr stellte sie auf einer Hochzeitsmesse im Soho House in Mitte aus, und in der Papeterie »Papier Tigre« in der Mulackstraße hatte sie einen Pop-up-Store. Mehrere Wochen lang warb sie dort für ihre Produkte.
Und die sprechen für sich selbst: Kunden empfehlen sie weiter. Bisweilen kommt es Illouz so vor, als würde sie ihren kompletten Freundeskreis mit Cupcakes und Torten beliefern.
Hobby »Ich habe das einfach immer schon gemacht, Kuchen waren mein Hobby.« Es wurde dann immer mehr, bis sie gemerkt hat, dass sie einen großen Teil ihrer Zeit in der Küche verbringt und zunehmend für Menschen backt, die sie gar nicht kennt. Anfangs hat sie in einer kleinen Küche in Neukölln gearbeitet. Aber der Platz reichte bald schon nicht mehr aus. Illouz konnte höchstens zwei Kuchen zur gleichen Zeit herstellen. Für ihre aufwendigen Kreationen sind mehrere Abkühlvorgänge nötig, dafür braucht es eine große Arbeitsplatte, die Zutaten müssen gelagert werden. Sie mietete sich also in eine professionelle Küche in Kreuzberg ein.
Innerhalb eines Jahres hat Illouz geschafft, wovon viele Zugezogene vielleicht nur träumen: ein eigenes kleines Unternehmen zu gründen und damit auch noch erfolgreich zu sein. Illouz spricht kaum Deutsch, trotzdem hat sie Behördengänge absolviert und sich durch die Berliner Bürokratie gebissen.
Für viele Expats, Amerikaner, Franzosen, Spanier oder Israelis, die sich in der Stadt niederlassen, gleicht das einer Horrorvorstellung, wobei sich Israelis in der Gastronomie zunehmend selbstständig machen. Aufsehen erregt etwa seit September 2014 das Neuköllner Café Gordon von Doron Eisenberg und Nir Ivenizki – beide kommen ursprünglich aus Tel Aviv. Auch sie suchten die Herausforderung in Berlin.
Tel Aviv »Ich glaube, dass es an der Enge der israelischen Gesellschaft liegt«, sagt Illouz. Das Land sei von religiösen Normen geprägt, für junge Menschen ist gerade Tel Aviv eine teure Stadt, die Preise für Mieten oder Lebensmittel seien hoch, erzählt sie. Viele wollen einfach weg, und da sie einen europäischen – oft sogar einen deutschen – Pass besitzen, liegt es nah, sich in einen Flieger nach Berlin zu setzen. Illouz selbst wollte nach dem Wehrdienst und ihrem Studium in Jerusalem woanders leben – an Deutschland hatte sie zuerst überhaupt nicht gedacht. Sie hat keine deutschen Vorfahren, erzählt sie. »Aber es hat mir gefallen, und dann ist es passiert.«
Sie möchte ihr Unternehmen »Cakes Berlin« weiter ausbauen und sucht einen Investor für ihren Online-Shop. Alles Schritt für Schritt. Mit dieser entspannten Haltung fährt sie gut.
Dass es daneben aber auch ein gehöriges Maß an Disziplin braucht, um jeden Tag mehrere Stunden in der Küche zu stehen und dazu ein Unternehmen zu führen, das weiß Stephanie Illouz. Ihr bereitet es Freude. »Immerhin habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht.«
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