Jüdische Werte wahren, Antisemitismus und Israelhass bekämpfen, Frauenpower pushen – wenn Anna Staroselski über ihre Ziele spricht, kommt sie schnell ins Schwärmen. »Ich weiß, dass ich mir eine ganze Menge vorgenommen habe, aber ich weiß auch, dass ich keine Angst vor Verantwortung habe«, sagt sie.
Seit April ist Staroselski die neue Frau an der Spitze der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Seit gut zwei Jahren engagiert sich die 24-jährige Wahl-Berlinerin, die derzeit an der Humboldt-Universität im Bachelor Geschichte und Russisch mit Lehramtsoption studiert, in der JSUD. Für sie sei immer wichtig gewesen, sich in einem dezidiert jüdischen Hochschulverband zu engagieren.
»Das Judentum mit seiner vielfältigen Tradition und Kultur ist ein wichtiger Teil meiner Identität«, sagt Staroselski. »Meine Erfahrungen als stolze Jüdin möchte ich mit anderen Altersgenossen teilen.«
RELIGION Geboren ist Staroselski in Stuttgart. Hin und wieder hört man ihren schwäbischen Dialekt noch ein bisschen heraus. Aufgewachsen ist sie in einer jüdischen Familie aus der ehemaligen Sowjetunion. Ihre Eltern waren Anfang der 90er-Jahre als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland gekommen.
»Religion war bei uns zu Hause immer ein großes Thema«, erzählt sie. Vor allem ihre Mutter habe in der Erziehung viel Wert auf die Vermittlung der jüdischen Tradition gelegt. »Meine Mutter hat mir beigebracht, aus der Tora Kraft für mein eigenes Leben zu schöpfen.«
Vor allem ihre Mutter habe in der Erziehung viel Wert auf die Vermittlung der jüdischen Tradition gelegt.
Nach dem Abitur verbrachte Staroselski ein halbes Jahr in Israel. »Das war eine entscheidende Zeit für mich – mit vielen großartigen Begegnungen und Erfahrungen«, erinnert sich Staroselski, die sich als überzeugte Zionistin bezeichnet. »Jüdischkeit wird in Israel ganz selbstverständlich gelebt. So eine Selbstverständlichkeit wünsche ich mir auch für Deutschland.«
Um jüdisches Leben in ihrer Heimat zu stärken, arbeitet Staroselski als Unterstützung im Bundestagsbüro des FDP-Abgeordneten Till Mansmann mit. »Ich bin überzeugtes Mitglied der FDP«, sagt Staroselski und fügt schnell hinzu: »Auch und gerade, weil ich Jüdin bin.«
MINENFELD Die Anfeindungen gegenüber den Liberalen nach dem Skandal um die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen Anfang Februar hätten sie sprachlos gemacht. »Ich bin bewusst nach der Regierungskrise in Thüringen in die FDP eingetreten.« Dass sich der liberale Politiker Kemmerich im Erfurter Landtag mit den Stimmen des Rechtsaußenflügels der AfD zum zwischenzeitlichen Landeschef hat wählen lassen, war auch aus ihrer Sicht ein Unding.
Für die jüdische Community sei es wichtig, in der Politik Verbündete zu haben.
»Aber im politischen Minenfeld passieren nun einmal Fehler wie in Thüringen. Es kommt dann entscheidend darauf an, ob man die Klasse hat, sich sein Fehlverhalten einzugestehen und es zu korrigieren«, meint sie. »In der liberalen Partei sehe ich meine politische Heimat, weil sie für Werte wie Freiheit und gesellschaftliche Vielfalt eintritt.«
Für die jüdische Community sei es wichtig, in der Politik Verbündete zu haben. »Wir werden antisemitische Ressentiments in der Gesellschaft nicht allein bekämpfen können«, sagt sie.
ALLIANZEN Deswegen seien auch Allianzen mit anderen Minderheitengruppen von Bedeutung. So rief die JSUD in Kooperation mit der European Union of Jewish Students (EUJS) vor Kurzem eine Online-Kampagne für die muslimischen Uiguren ins Leben, die in China unterdrückt werden. »Ich möchte den interreligiösen Austausch voranbringen und dadurch Brücken bauen«, erklärt die junge Frau.
Bis März 2021 hat sie dafür als JSUD-Präsidentin Zeit. Dann stehen auf dem Jugendkongress die nächsten Wahlen an. Kann sich Staroselski schon eine weitere Amtszeit vorstellen? »Wie schon gesagt, vor Verantwortung schrecke ich nicht zurück.«