Den weißen Schleier hat sie aufbewahrt. »Den hatte mir ein Gemeindemitglied, eine Schneiderin, für mein Kostüm zu Purim genäht, als ich noch klein war«, sagt Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Gemeinde Gelsenkirchen mit etwa 350 Mitgliedern.
Auch das dazugehörende rosafarbene Ballkleid hat sie noch genau vor Augen: »Aber ich weiß gar nicht mehr, ob ich es noch besitze, ich muss gleich mal nachschauen.« Als Judith Neuwald-Tasbach noch ein Kind war, war die Gemeinde kleiner und feierte in einem winzigen Gemeindesaal. »Kostüme gab es damals noch gar nicht zu kaufen.« Und die Hamantaschen wurden selbst gebacken.
Doch Neuwald-Tasbach war nicht nur Prinzessin zu Purim, sondern auch einmal König. »Ich erinnere mich auch noch an das Lampenfieber vor den Aufführungen.« Mit etwa 15 Jahren war Schluss mit dem Verkleiden, da half sie dann lieber in der Küche oder beim Aufbau.
Gelsenkirchen Heute fädeln immer noch etliche Mütter und Omas das Garn durch die Nadel, um Kostüme für ihre Kinder in Gelsenkirchen anzufertigen, sagt Margarita Fuks, Leiterin der Kita. Und das liege überwiegend an dem jeweiligen Schwerpunkt der Theateraufführung der Kids bei der Feier.
Grundlage ist immer die Purimgeschichte, aber sie wird jedes Mal neu interpretiert. Beispielsweise hatten die Erzieher sich in den vergangenen Jahren überlegt, dass alle Prinzessinnen aus verschiedenen Ländern kommen sollten, also beispielsweise aus Russland, dem Orient oder der Türkei. »Diese Kostüme gibt es nirgendwo zu kaufen.«
Ein anderes Mal sollte sich König Achaschwerosch seine zukünftige Königin aus den Mädchen der Modenschau aussuchen – da mussten auch die Eltern wieder an die Nähmaschine. »Alle geben sich Mühe. Ohne sie geht es nicht«, sagt Fuks. Anders sei es bei den Jungen – die könnten als Clown oder Pirat kommen, und solche Kostüme gibt es in Läden zuhauf.
Natürlich können auch Karnevalskostüme zu Purimpartys »recycelt« werden. Wie vielleicht in Düsseldorf, wo die Gemeinde jetzt zum ersten Mal seit über 80 Jahren mit einem Motivwagen beim Rosenmontagszug dabei war.
Düsseldorf Auch in Düsseldorf sind etliche Purimfeiern geplant. »Wir sind zu groß geworden, weshalb die Religionsschule, Makkabi, die Grundschule, das Gymnasium, Kita und die Senioren alle eine eigene veranstalten«, sagt Inna Umanska, Leiterin der Jüdischen Kulturakademie, die zur Gemeinde gehört.
Fast 6800 Mitglieder zählt die Gemeinde. Und die Jüdische Kulturakademie verfügt über einen Raum im Keller, in dem sämtliche Kostüme der jüngsten Purimfeiern, Musicalaufführungen und Theaterstücke aufbewahrt werden.
»Bisher hatten wir eine Kostümbildnerin, die für unsere Musicals genäht hat. Leider ist sie nun in ihre Heimat zurückgegangen.« Da brauche man Stunden, um alles durchzusehen, sagt Mathilda Kochan, die die Theatergruppe pädagogisch betreut und die Schüler der Grundschule gesanglich unterstützt. Neben richtig alten Kostümen gebe es natürlich auch neue von den jüngsten Aufführungen: »Da ist für jeden etwas dabei.«
Trier Wenn für Faschingsfans am Aschermittwoch alles vorbei ist, gehen in Trier die Vorbereitungen für Purim erst richtig los. »Aschermittwoch gehe ich traditionell Kostüme einkaufen«, sagt Jeanna Bakal, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Trier mit knapp 500 Mitgliedern. Bei den Einkäufen denkt sie an ihre drei Kinder, den Austauschschüler aus Argentinien und einige bedürftige ältere Gemeindemitglieder, die Accessoires brauchen. Zur Purimfeier kommen Kinder und Erwachsene. Viele verkleiden sich als Esther, aber auch etliche Clowns sind dabei.
In diesem Jahr sind außerdem Kostüme von Stewardessen sehr beliebt. Bestimmte Verkleidungen sind allerdings dezidiert unerwünscht: Uniformen und alles, was an Militär erinnert. Auch das Mittelalter soll nicht aufgegriffen werden, denn »das war eine schlimme Zeit für Juden«. Und natürlich dürfen keine Spielzeugpistolen oder Gewehre mitgebracht werden.
Ein Höhepunkt der Feier in Trier soll die Jewrovision werden, bei der die Kids aus der Gemeinde gemeinsam mit Jugendlichen aus Saarbrücken am 10. Februar den sechsten Platz ersingen und ertanzen konnten. Dazu wird an Purim ein eigener Film gezeigt.
Erfurt Die Jüdische Landesgemeinde Thüringen zählt gut 700 Mitglieder. Etliche Erwachsene, von denen die meisten aus Israel kommen, verkleiden sich auch. Seit mehr als zehn Jahren bringt die Kinder-Theatergruppe das Purimspiel auf die Bühne, aber »jedes Mal mit einem neuen selbst geschriebenen Text«, so Lutz Balzer, der die Gruppe ehrenamtlich leitet.
Im Lauf der Zeit seien etliche Kostüme zusammengekommen. Damit es perfekt wird, wird in Second-Hand-Läden noch etwas dazugekauft. »Und wir haben eine Mutter, die gut nähen kann.« Die Hüte werden aus Pappe gebastelt. In einem Workshop wird die Dekoration gebaut: »Unter dem Synagogendach hat sich mittlerweile eine Menge Deko angesammelt.«
Halle Einen Hut wird auch Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Halle (knapp 600 Mitglieder), aufsetzen. Das sei bei ihm schon Tradition: »Aber er gehört mir nicht mal.« Irgendjemand hatte ihm vor Jahren die Kopfbedeckung in die Hand gedrückt und empfohlen, sie zu Purim zu tragen. Dass die Düsseldorfer Jüdische Gemeinde mit Motivwagen beim Rosenmontagszug dabei war, hat Privorozki begeistert. Das könne er sich auch für seine Gemeinde in Halle gut vorstellen, sagt der Vorsitzende.