Nur ein kleines Schild auf einem Pfeiler weist darauf hin: »King David Garden« steht da. Große Leuchtschrift hat sich der Gründer und Geschäftsführer des Hotels, Ilan Oraizer, gespart. Nichts deutet in diesen Herbsttagen darauf hin, dass sich in der Münsterschen Straße das »erste und einzige komplett koschere Hotel in Deutschland« befindet, wie er voller Freude sagt. Zu viel Aufmerksamkeit im Internet möchte er nicht. Deshalb gebe es auch keine Instagram-Posts. Bei den Hotelportalen ist sein Haus aber gelistet.
Der Name erinnert an das bekannte »King David Hotel« in Jerusalem. »Aber wir haben in unserem Namen noch das Wort Garden.« Der ist 2000 Quadratmeter groß und liegt hinter dem Haus mit seinen zehneinhalb Zimmern. Zu einer der Suiten gehört ein kleines Schlafzimmer, ein halber Raum. Grundsätzlich stehe das Hotel allen offen, auch nichtjüdischen Gästen. An diesem Sonntagabend im November ist es ruhig im Restaurant des Hotels.
Maschgiach Avraham steht in der Küche und kontrolliert die Lebensmittel. Ein paar Israelis haben Platz genommen, sie essen Hummus und Lachs. Koch André, der aus Israel stammt, bereitet bisher nur fleischige Gerichte zu. Eine milchige Küche muss erst noch eingerichtet werden. Das Besteck dafür habe er aber schon, sagt er. Die Kaschrut-Aufsicht über das Hotel führt Rabbiner Yehuda Teichtal, Begründer und Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Chabad Berlin.
lan Oraizer ist ein Mann mit Visionen und ein Mann der Tat
»Manche Juden fühlen sich in Deutschland mittlerweile sicherer als in Israel«, sagt der 53-jährige Hotelbesitzer. Auch ihnen möchte er Räume anbieten.
Ilan Oraizer ist ein Mann mit Visionen und ein Mann der Tat. Wenn ihm eine Idee kommt, muss er sie verwirklichen. Vor 15 Jahren kam er aus Israel nach Berlin. Um die Stadt kennenzulernen, wollte er eine Führung mitmachen. Den Guide empfand er als unfreundlich – und entdeckte eine Geschäftsidee: Er baute ein großes Reiseunternehmen auf, das Israelis, die nach Deutschland reisen, ihren Aufenthalt erleichtern möchte.
Oraizer fühlt sich in Berlin wohl, freut sich, dass er in Deutschland eine Chance bekommen habe, seine Ideen zu verwirklichen. »Jüdischer Verstand und deutsche Regeln – das ist nicht so schlecht, damit kann man Erfolg haben«, sagt er. Die Sommermonate hat er genutzt, um das Hotel so umzubauen, dass es koscher ist. Über einen Makler fand er die Immobilie. Am Türrahmen eines jeden Zimmers ist eine Mesusa angebracht. Gebetsriemen und Gebetsbücher liegen aus, sodass sich jeder bedienen kann. Es gibt keine elektronischen Türöffner, sondern Schlüssel. »Alles Digitale ist an Schabbat verboten«, sagt Oraizer. Ein Fahrstuhl fehlt, die Gäste nehmen die Treppe.
An Schabbat ist das Restaurant geschlossen, deshalb stehen spezielle Wärmeplatten und Thermoskannen bereit, damit die Gäste auf ihren Zimmern auch an diesem Tag das Essen genießen können, ohne elektrischen Strom.
In seiner Jugend lernte Oraizer in einer Jeschiwa in Israel
In seiner Jugend lernte Oraizer in einer Jeschiwa in Israel. Bis er mit einem seiner Lehrer aneinandergeriet, denn viele der Gesetzesvorschriften leuchteten ihm nicht ein. Der Rabbiner habe auf seine Fragen keine Antworten geben können, sagt Oraizer. Daraufhin sei er zur Toilette gegangen, um sich die Schläfenlocken abzuschneiden.
Seinen Frieden habe er dennoch mit Gott gemacht, so der Geschäftsmann.
Es war sein Abschied vom orthodoxen Judentum. Seinen Frieden habe er mit Gott dennoch gemacht, sagt der Geschäftsmann. Die Aufgabe eines jeden Juden könne unterschiedlich sein. Seine sei dieses Hotel. »Ich tue meinen Dienst eben eher im Hintergrund«, sagt er.
Bis vor einigen Jahren konnte man in Berlin auch andernorts koscher übernachten. Das »Bleibergs« in der Nürnberger Straße vermietete koschere Zimmer, die aber damals nicht sehr gefragt gewesen seien, sagt Manuela Bleiberg, die zusammen mit ihrem Mann Michael 15 Jahre lang das Café führte. Aus Altersgründen verkauften sie es 2018. Anfang dieses Jahres wurde es geschlossen.
Auch das Crowne Plaza Hotel, ebenfalls in der Nürnberger Straße, bietet laut Homepage einen koscheren Service an. »Wir verfügen über Schabbat-Zimmer, und die nächste orthodoxe Synagoge ist fußläufig vom Crowne Plaza Berlin entfernt«, heißt es da. Die Schabbat-Zimmer befinden sich in der unteren Etage und sind ohne Fahrstuhl zu erreichen. Die Türen lassen sich mechanisch öffnen, die Lampen funktionieren per Zeitschaltung, und bei Bedarf werde ein »Shabbos Goy« zur Verfügung gestellt.
Zurück in der Münsterschen Straße, herrscht Ruhe in der Küche. Avraham, der Maschgiach, nutzt die Zeit, um die Weinregale des Hotels zu inspizieren. Schließlich geht er in einen der Nebenräume, wo in großen Kühltruhen Hühner- und Rindfleisch lagert, das Rabbiner Teichtal zertifiziert hat. In einem der anderen Räume ist eine Backstube eingerichtet. »Wir backen leckeres Challa«, sagt Avraham. Es gibt immer viel zu tun.