Technologie

Kompetenzen fördern

Das ZWST-Projekt »Mabat« möchte generationenübergreifend digital fit machen. Foto: Chris Hartung

Das Schlagwort »Digitalisierung« hat wohl jeder schon einmal gehört. Und auch eine ungefähre Vorstellung davon, was damit gemeint ist: irgendetwas mit Computern und Internet. Aber was genau ist Digitalisierung eigentlich, und inwieweit ist sie für die jüdischen Gemeinden und ihre Mitglieder ein wichtiges Thema oder sollte eines sein?

Eine Anlaufstelle für Fragen rund um das Thema Digitalisierung ist die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Denn dort bietet ein Fachbereich für Digitale Transformation den jüdischen Gemeinden sowie Landesverbänden kompetente Unterstützung beim Aufbau digitaler Infrastrukturen – und will unter anderem auch die junge sowie die ältere Generation ihren Bedürfnissen entsprechend fit für das digitale Leben machen.

vernetzung Ira Rosensaft ist die Leiterin des Fachbereichs, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Eine optimale Gemeinde oder Organisation, so erklärt sie, »kennt die Bedürfnisse ihrer Mitglieder« und kann daher optimal auf sie zugeschnittene Angebote bereitstellen. Vernetzung bedeutet für Rosensaft darüber hinaus, dass »man Synergieeffekte zwischen den Mitgliedern, Mitarbeitern, der Führung und Partnerorganisationen zu nutzen weiß und dass Wissen und Informationen transparent verfügbar sind«.

Die Digitalisierung bietet der älteren Generation viele Vorteile.

Die vielfältigen Möglichkeiten, die die Digitalisierung beispielsweise Gemeinden bietet, lassen sich unter anderem anhand der von Mabat zusammengestellten Liste mit praktischen Tools demonstrieren. Seit Beginn der Pandemie sind vor allem Kommunikationstools zu ganz alltäglichen Hilfsmitteln geworden, aber die Empfehlungen von Mabat gehen über Zoom oder Skype hinaus.

Da gibt es zum Beispiel BigBlueButton, eine Software, mit der ein virtuelles Klassenzimmer zum gemeinsamen Lernen erstellt werden kann. Oder JamKazam, eine Plattform, die es Musikern ermöglicht, zusammen zu proben, spontane Jamsessions zu veranstalten, Songs zu schreiben oder aufzunehmen. Neben Präsentationstools gibt es auch digitale Hilfsmittel für die Öffentlichkeitsarbeit, das Projektmanagement sowie die Terminfindung, Pinnwände, Umfragen und Feedback – also alles, was die täglichen Arbeitsabläufe angeht, aber auch Dinge, die die Kommunikation und den Kontakt mit Mitgliedern optimieren.

Sprachassistenten Besonders viele Vorteile, so Rosensaft, bietet die Digitalisierung der älteren Generation. Jede Gemeinde sollte eigene, möglichst niedrigschwellige Formate für Senioren und Seniorinnen etablieren, lautet ihre Empfehlung. »E-Mail, Suchmaschinen, Wegweiser, Übersetzer und Sprachassistenten beispielsweise – ältere Menschen sollten eben keine Computerkurse angeboten bekommen, weil EDV-Kenntnisse für sie ohnehin keinen wirklichen Nutzwert haben.«

Vielmehr sollte es darum gehen, ihnen Kompetenzen bei Anwendungen für ganz konkrete und lebensnahe Situationen zu vermitteln. Auf diese Weise können ältere Gemeindemitglieder lernen, »eigenständiger zu agieren und nicht auf Kontakte oder Informationen verzichten zu müssen, kurzum, sie fühlen sich nicht ausgeschlossen«.

Aber was würde Rosensaft besorgten Gemeindevertretern raten, die in der Digitalisierung weniger eine Chance, sondern vielmehr eine mögliche Quelle von vielerlei Problemen wie hohen Kosten oder Datenschutz-Bedenken sehen? Ganz einfach, antwortet sie, zunächst sollten in der Gemeinde genau die Bereiche identifiziert werden, »die sich schon heute ohne großen Ressourcen-Einsatz digitalisieren lassen«.

fallstricke Ihrer Erfahrung zufolge scheitert das Projekt Digitalisierung ohnehin weniger an den Kosten oder technischen Fallstricken, »sondern daran, dass wir das Thema nicht strategisch auf höchster Führungsebene priorisieren«. Im Übrigen stellt sich oft heraus, dass ein Problem nur deswegen so herausfordernd wirkt, weil man es im Vorfeld versäumt hat, die Leitplanken zu definieren, also genau zu klären, »was mit welchem Zweck und für wen digitalisiert werden soll.

Mit anderen Worten: zuerst schauen, welche Schritte Priorität haben sollten, und dann loslegen«. Es sei schließlich immer besser, »sich in kleinen Schritten fortzubewegen, statt vor Angst zu erstarren«. Mabat helfe dabei sehr gern.

Mehr als vier Jahre gibt es Mabat schon. Auf einige Erfolge ihrer Arbeit ist Ira Rosensaft besonders stolz, und zwar, dass wir es »geschafft haben, ein Grundverständnis über die Digitale Transformation zu vermitteln, und das in den allermeisten unserer Mitgliedsorganisationen. Ich würde sagen, heute glaubt keiner mehr, dass allein mit dem Kauf einiger Computer und vielleicht noch etwas Software die Digitalisierung gelingen kann«.

zufriedenheit Aber das ist noch nicht alles. Rosensaft erfüllt es mit Zufriedenheit, dass sich die ZWST dieser Themen annimmt und »mit gutem Beispiel vorangeht sowie gleichzeitig das Wissen und die Expertise mit unseren Mitgliedsorganisationen teilt«. Und noch etwas macht sie stolz: »Bereits den fünften Sommer in Folge bieten wir super spannende Workshops für Kinder und Jugendliche an.«

Bei den Machanot in Bad Sobernheim erwartet die jungen Teilnehmer in diesem Jahr neben Coding, also dem Programmieren, und dem hochaktuellen Thema Künstliche Intelligenz auch die Beschäftigung mit Smart Homes, Drohnen, GPS und Augmented Reality. »Wir wollen Kindern und Jugendlichen schon heute die Technologien der Zukunft näherbringen und auch da aufzeigen, dass Digitalität weitaus mehr ist als nur Social Media und Gaming-Plattformen.«

Ira Rosensaft ist die Leiterin des Fachbereichs, der vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird.

Digitale Kompetenz habe nämlich »nichts mit Klicken und Wischen zu tun, sondern mit dem Begreifen, wie vernetzt und datenbasiert wir in Zukunft leben werden und welche Potenziale sich damit für uns Menschen erschließen – aber auch, welche potenziellen Gefahren wir abwenden sollten«.

Mabat möchte den Kindern und Jugendlichen während der Machanot im Übrigen auch die Möglichkeit geben, »neue Berufsfelder und Lebensrealitäten kennenzulernen und ihr kybernetisches Denken mithilfe der Workshops zu fördern«.

Training Darüber hinaus stehen im Herbst für die Mitarbeiter der jüdischen Gemeinden und Landesverbände digitale Trainingseinheiten auf dem Programm. »In zweistündigen Webinaren werden dabei verschiedene Themen rund um die digitale Transformation erörtert«, weiß Rosensaft zu berichten. Diese sind bewusst niedrigschwellig und praxisnah angelegt und erfreuen sich großer Beliebtheit. »Wir erfahren eine sehr positive Resonanz, da sich die Webinare ohne größeren Reiseaufwand wunderbar in den Arbeitsalltag integrieren lassen.«

Abgerundet wird das Ganze durch einen geplanten Fachtag zum Thema Organisatio­nen im Wandel. Dieser richtet sich an die Führungskräfte jüdischer Gemeinden und soll Know-how zu Fragen der modernen Organisation, beispielsweise New Work, Vernetzung sowie Mitgliederzentrierung und Mobilität, vermitteln.

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