Berlin

Letzte Ruhestätte

Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann (2.v.r.) nahm an der Trauerfeier teil. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Knapp zehn Jahre nach dem Fund anonymer menschlicher Überreste auf dem Gelände der Freien Universität Berlin (FU), die vermutlich aus der rassistischen NS-Forschung an Menschen stammen, sind diese am Donnerstag nach einer Trauerfeier auf dem Waldfriedhof in Berlin-Dahlem beigesetzt worden. An der Zeremonie nahmen auch Vertreter des Zentralrats der Juden in Deutschland und des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma teil.

»Trauer fragt nicht nach Herkunft, Konfession und Zugehörigkeit. Unsere Trauer von heute über die Verbrechen der Vergangenheit erschafft die kollektiven Gedenkorte von morgen«, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, im Vorfeld der Beisetzung. Er sei der FU Berlin, dem Landesdenkmalamt Berlin und der Max-Planck-Gesellschaft dankbar für den würdevollen Umgang und begrüße das Anliegen, aus diesem Anlass einen Lern- und Gedenkort für die Zukunft zu gestalten.

Mengele Im Jahr 2014 waren auf dem FU-Gelände in Berlin-Dahlem bei Grabungen menschliche Überreste gefunden worden, die nach Einschätzung von Historikern und Archäologen auf eine Zusammenarbeit zwischen dem Auschwitz-Arzt Josef Mengele und dem Rassenhygieniker Otmar von Verschuer am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für menschliche Erblehre, Anthropologie und Eugenik (KWIA) verweisen.

»Trauer fragt nicht nach Herkunft, Konfession und Zugehörigkeit.«

Zentralratspräsident Josef Schuster

Das Institut lag damals auf dem fraglichen Gelände der FU. Mengele untersuchte in Auschwitz jüdische Männer, Frauen und Kinder, tötete sie und ließ die ihnen entnommenen menschlichen Präparate zu »Forschungszwecken« ins KWIA verbringen. Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Knochenfunden wurden im Herbst vergangenen Jahres abgeschlossen.

Vertreterinnen und Vertreter der Einrichtungen sowie der Verbände und Organisationen erinnerten bei der Trauerfeier an die Opfer. »Der Dahlemer Fund menschlicher Knochen sowie die Frage, ob es sich hierbei auch um die menschlichen Überreste von Juden handelt, die während der Schoa ermordet wurden, haben die jüdische Gemeinschaft sehr bewegt«, sagte Daniel Botmann, der Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, während der Trauerzeremonie.

Forschungsrassismus »Unsere Trauer von heute über die Verbrechen der Vergangenheit erschafft die kollektiven Gedenkorte von morgen«, so Botmann. »Die inhumane Praxis des Forschungsrassismus sah für die Überreste keine Bestattung vor und warf sie in Gruben. Heute tragen wir zahlreiche Leben, deren Stimmen und Biografien ausgelöscht wurden, zu ihrer letzten Ruhestätte.«

Auschwitz als Herkunftsort einzelner Knochen ist nicht auszuschließen.

Auschwitz als Herkunftsort einzelner Knochen sei nicht auszuschließen. Doch ebenso wiesen die Untersuchungen der Funde auch in Richtung kolonialer Vergangenheit und rassenpolitischer Gewalt. Die genaue einzelne Herkunft bleibe jedoch ungewiss.

»Wir lehnen eine weitere Ausdifferenzierung der Knochenfunde nach bestimmten Gruppen ab«, machte der Geschäftsführer des Zentralrats klar. »Wir wollen und werden die rassistische Methoden und Denkmuster der Vergangenheit nicht mehr reproduzieren. Sie dienten lange genug der ›wissenschaftlichen‹ Legitimation mörderischer nationalsozialistischer Rassenpolitik.«

»Es gilt: ›Opfer sind Opfer.‹ Unsere Trauer fragt nicht nach Herkunft, Konfession und Zugehörigkeit, sondern steht im Zeichen der Solidarität«, sagte Botmann. Es gehe darum, in Zukunft ein gemeinsames Gedenken zu organisieren, das die jüdische Geschichte, die Geschichte der Sinti und Roma und der ehemaligen deutschen Kolonien in Afrika sichtbar mache und deren kulturellen Reichtum wahrnehme und würdige. kna/ja

Berlin

»Etwas Himmlisches«

Am Donnerstagabend wurden in Berlin kleine, glitzernde Tropfen der Hoffnung gefeiert. So war die Verleihung des achten Shimon-Peres-Preises

von Sophie Albers Ben Chamo  01.11.2024

Düsseldorf

»Die Schuld war individuell. Die Verantwortung aber ist von Dauer«

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch hat an der Heinrich-Heine-Universität ihre erste Gastvorlesung gehalten. Wir dokumentieren sie im Wortlaut

 01.11.2024

Makkabi

Aus der Sukka zur Maccabiah

Im kommenden Jahr erwartet die Makkabäer der große Wettbewerb in Israel. Nun kamen die Athletinnen und Athleten zum Training zusammen

von Stefan Laurin  31.10.2024

Virtual Reality

Virtuelle Charlotte Knobloch führt durch das München von 1938

In einem neuen Virtual-Reality-Projekt führt ein Avatar von Charlotte Knobloch durch München während der Pogromnacht 1938

von Christiane Ried  30.10.2024

Frankfurt

Raum für Debatten

Die Jüdische Akademie und die Goethe-Universität unterzeichnen einen Kooperationsvertrag. So wollen beide Institutionen die Verbundforschung stärken

von Doron Kiesel  30.10.2024

Staatsanwaltschaft Stuttgart

Anklage wegen Anschlagsplänen auf Synagoge in Heidelberg

Zwei junge Männer tauschen sich in Chats über mögliche Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Heidelberg und Frankfurt am Main aus

 29.10.2024

Zeitz

Reinhard Schramm warnt vor Zweckentfremdung von Spendengeldern

Der Vorsitzende der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen wirbt im Spendenstreit für Simon-Rau-Zentrum

 28.10.2024

Stuttgart

Lebensbejahende Botschaft

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs feierte das Neujahrsfest

von Brigitte Jähnigen  27.10.2024

München

Wunden, die nicht heilen

Tausende zeigten auf dem Odeonsplatz Solidarität mit Israel. Die IKG lud am Jahrestag des Hamas-Massakers zu einem Gedenkakt in die Synagoge

von Luis Gruhler  27.10.2024