Ganz Hamburg ist blau-weiß beflaggt. Friedlich feiernde Menschen mit hellblauen Schals flanieren durch die Straßen. Rund 130.000 Besucher sind am vergangenen Wochenende in die Hansestadt zum Evangelischen Kirchentag unter dem Motto »Soviel du brauchst« gekommen.
Im Hörsaal A, dem runden Herzstück des Hauptgebäudes der Universität Hamburg, drängen sich am vergangenen Freitagnachmittag vornehmlich ältere Zuhörer. Es geht um die Kultur des Erinnerns und den Umgang in Deutschland mit Holocaust und jüdischer Vergangenheit, um Unbehagen und schlechtes Gewissen, aber auch um den Austausch zwischen Christen und Juden.
Lehrhäuser »Die deutsche Erinnerungskultur zu thematisieren, wurde vor allem von unseren jüdischen Mitgliedern angestoßen«, sagt Almuth Jürgensen, die dem Planungskomitee angehört und Pastorin in Stockelsdorf bei Lübeck ist. »Gerade die Form der Lehrhausveranstaltungen mit ›Anwälten‹ des Publikums eignet sich zum gemeinsamen Austausch durch Lehren und Lernen.«
Sonst gibt es aber eher selten Berührungspunkte zwischen den jüdischen und christlichen Gemeinden. Hört man die Worte »interreligiöser Dialog« in Hamburg, so ist damit zumeist ein Austausch zwischen Muslimen und Christen gemeint. Der Kirchentag bot dagegen zahlreiche Veranstaltungen mit Bezug zum Judentum. Wo sonst Afrika- und Asienstudien im modernen Ostflügel gelehrt werden, gab es sogar ein eigens eingerichtetes »Zentrum Juden und Christen«, das Raum für den Dialog zwischen beiden Religionen bieten sollte.
Doch den Besuchern bot sich auch die Gelegenheit, die jüdische Welt Hamburgs näher zu erkunden, ob auf dem historischen Friedhof in Altona, bei Führungen durch die Synagoge oder die liberale Gemeinde und den eigens organisierten Touren durch das Museum für Hamburgische Geschichte. Auch im kulturellen Programm fanden sich immer wieder jüdische Einsprengsel, seien es die zahlreichen Klezmerkonzerte in Kirchen quer durch die Stadt oder das begleitende Filmprogramm.