Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf hat ihre Josef-Neuberger-Medaille an Hans-Joachim Watzke verliehen, den Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund (BVB). Watzke wurde für sein Engagement gegen Antisemitismus ausgezeichnet. Die Laudatio in der Düsseldorfer Synagoge hielt am vergangenen Donnerstag NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU).
»Der Kampf gegen Antisemitismus ist nicht nur Aufgabe der Politik«, hob Wüst hervor. Hier trage auch der Fußball eine besondere Verantwortung. Das habe »Aki« Watzke, der seit 2005 Geschäftsführer beim BVB ist, früh erkannt. Wüst weiter: »Seine Strategie heißt: nicht wegsehen, Probleme direkt angehen und maximales persönliches Engagement. Und dabei ist er immer Klartexter.«
Spenden Als Beispiele nannte Wüst regelmäßige Fahrten von BVB-Mitarbeitern und Sponsoren zu Gedenkstätten, eine Millionenspende des Vereins im Jahr 2019 an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, Fan-Patenschaften für Stolpersteine und den Besuch einer BVB-Delegation bei der Jüdischen Gemeinde nach dem Gewinn des DFB-Pokals.
Seit 1991 verleiht die Gemeinde die Medaille an Nichtjuden.
Watzkes Motto: »Menschen emotional mitnehmen. So gewinnt man im Kampf gegen Antisemitismus.« Der Fußball-Manager, bestens vernetzt, ist auch Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga (DFL), die für die Organisation und Vermarktung des deutschen Profifußballs zuständig ist. In dieser Funktion unterstützte er im März eine Fachtagung zum Thema »Antisemitismus und Profifußball« im Dortmunder Stadion, ein Projekt von DFL, dem Jüdischen Weltkongress und dem Zentralrat der Juden in Deutschland.
Hans-Joachim Watzke bedankte sich für die »großartige« Auszeichnung: »Ich glaube, dass sich alle Borussen sehr geehrt fühlen.« Der 63-Jährige bekräftigte, dass die 166.000 Vereinsmitglieder das Engagement der Schwarz-Gelben gegen Antisemitismus »mit überwältigender Mehrheit mittragen«. Entstanden sei sein Einsatz durch sehr persönliche Erlebnisse: »Als ich das erste Mal an einem Novembertag die Gedenkstätte Auschwitz besucht habe, dachte ich: Das kostet aber Kraft. Nach mehreren Besuchen in Auschwitz und Yad Vashem kann ich sagen, dass mir die Eindrücke dort unfassbar viel gegeben haben, gerade auch ein unheimlich positives Gefühl dem Staat Israel gegenüber.«
Mehrfach reiste Watzke mit BVB-Delegationen nach Israel: »In den israelischen Borussia-Fanklubs habe ich tolle Menschen kennengelernt.« So habe er eine Familie getroffen, in der bereits drei Generationen – Großvater, Vater und Sohn – begeisterte Fans der Dortmunder seien.
Fans Der Umgang mit politischen Themen im Sport ist für Watzke naturgemäß schwierig. »Damit wir als Fußballklub mit weltweit fast 25 Millionen Fans ernst genommen werden, müssen wir uns dabei auf die wesentlichen Botschaften konzentrieren: demokratischer Diskurs, Toleranz und Kampf gegen Antisemitismus.« Der Einsatz des BVB gegen Judenhass beruhe auf zwei Säulen: »Energisches Erinnern an die unfassbaren Gräueltaten – und dafür eintreten, dass stolzes jüdisches Leben in Deutschland gefördert wird.« Zum Abschluss versprach der BVB-Chef, mit seinen Bemühungen nicht nachzulassen.
Oded Horowitz, Vorstandsvorsitzender der Düsseldorfer Gemeinde, machte die Dringlichkeit des Problems deutlich: »Antisemitismus hat sich bis in die Mitte der Gesellschaft vorgearbeitet.« Ein Beispiel seien die antisemitischen Darstellungen auf der documenta in Kassel. »Antisemitismus ist keine Kunstfreiheit. Wir müssen es als Mehrheitsgesellschaft schaffen, den Antisemitismus in die Schranken zu weisen.« Hans-Joachim Watzke sei ein Paradebeispiel dafür, wie aktives Handeln gegen Judenhass aussehen könne. Und darauf sei die jüdische Gemeinschaft angewiesen.
Abiturienten Positives wusste Horowitz aus der Düsseldorfer Gemeinde zu berichten, mit 7000 Mitgliedern die drittgrößte in Deutschland. In den vergangenen Jahren habe sich viel getan. Im Frühjahr konnte der Nordflügel des Albert-Einstein-Gymnasiums eröffnet werden: »In absehbarer Zeit wird es dort erstmals jüdische Abiturienten geben.«
Die Yitzhak-Rabin-Grundschule könne nach einem Umbau ebenfalls neue Räume nutzen. Die Grundschule feiert im Sommer ihr 30-jähriges Bestehen. Im Norden der Stadt soll das jüdische Seniorenzentrum erweitert werden und ein jüdisches Quartier entstehen. In der Nachbarstadt Neuss, die zum Düsseldorfer Gemeindegebiet zählt, konnte vor einem Jahr eine neu errichtete Synagoge als Teil des Alexander-Bederov-Gemeindezentrums eingeweiht werden. »Das jüdische Leben wächst weiter«, freute sich Horowitz.
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt zeigte in auf, dass es zwischen Fußball und der jüdischen Religion durchaus Ähnlichkeiten gibt.
Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, zeigte in seinem Redebeitrag auf, dass es zwischen Fußball und der jüdischen Religion durchaus Ähnlichkeiten gebe. Das mit dem Torjubel verbundene Gefühl könne einer religiösen Transzendenz schon sehr nahekommen.
Im Anschluss an die Reden lud die Jüdische Gemeinde zu ihrem Jahresempfang in den benachbarten Leo-Baeck-Saal.
Die Gemeinde verleiht die Neuberger-Medaille seit 1991 an nichtjüdische Persönlichkeiten oder Institutionen, die sich um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben. Träger sind unter anderem Angela Merkel, die Rockband »Die Toten Hosen«, der Künstler Gunter Demnig, Initiator der Aktion Stolpersteine, der Journalist Frank Schirrmacher, der Publizist Hamed Abdel-Samad sowie der Psychologe Ahmad Mansour.
Namensgebung Die Medaille ist nach dem 1977 verstorbenen jüdischen Rechtsanwalt und Politiker Josef Neuberger benannt, der aus einer in Rheinbach bei Bonn eingesessenen jüdischen Familie stammte. Er studierte Rechts- und Wirtschaftswissenschaft in Köln. Während der Novemberpogrome 1938 wurde Josef Neuberger von NS-Schergen schwer verletzt, woraufhin er über die Niederlande nach Palästina emigrierte und dort erneut ein Jurastudium begann. 1950 kam er nach Deutschland zurück, ließ sich 1952 als Rechtsanwalt in Düsseldorf nieder und arbeitete unter anderem als Strafverteidiger am Amts- sowie Landgericht Düsseldorf.
Neuberger war seit 1956 Ratsherr in Düsseldorf, zog 1959 als Abgeordneter für die SPD in den nordrhein-westfälischen Landtag und wurde Justizminister des Landes NRW. Zur selben Zeit nahm er auch Ehrenämter im jüdischen Gemeindeleben wahr und amtierte unter anderem als Mitglied des Direktoriums des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Wegen der Corona-Pandemie war die Verleihung zwei Jahre lang ausgesetzt worden.