Mosche Rabbeinu, der weise Hirte und Lehrer unseres Volkes, zögerte, als er einst ausgeschickt wurde, Pharao zu sprechen. Worte kamen ihm nur schwer über seine Lippen, und auch als jüdische Gemeinschaft fällt es mitunter schwer, sich Gehör zu verschaffen. Nicht so unserem Jubilar, Joel Berger, der das Medienzeitalter als Rabbiner von Bremen und Landesrabbiner Württembergs für sich schon vor Jahrzehnten eingeläutet hat: Mit Sechel und geschliff‹nem Wort fesselt Landesrabbiner a.D. Dr. h.c. Joel Berger noch heute seine Zuhörer an ihren Rundfunkgeräten.
Stimme Am 7. September feiert er nun seinen 85. Geburtstag und mit ihm nicht nur Familie und Freunde, sondern auch eine große Fangemeinde, die er mit seinen Radio-Beiträgen nach wie vor zu begeistern weiß. In den Rundfunkräten sind es seit Jahrzehnten seine klaren Positionen und deutlichen Worte, die ihn bis heute zu einem hochgeachteten, mitunter streitbaren Gesprächspartner machen. Eine sonore Stimme, die man kennt und schätzt.
Mehr noch als durch seine sprichwörtliche »Radio-Aktivität« zeichnete sich Rabbiner Berger während seiner aktiven Zeit als Gemeinde- und Landesrabbiner durch den besonderen Stellenwert aus, den er Bildung und Erziehung beigemessen hat.
Auch in die Gesellschaft hinein wirkte und wirkt Rabbiner Berger mit pädagogischem Eifer und Leidenschaft.
Im Internationalen Ghetto von Budapest unter dem Schutz von Raoul Wallenberg die Schoa überlebt, später durch die neuen Machthaber diskriminiert und in seiner Laufbahn massiv behindert, wusste Rabbiner Berger aus eigener, leidvoller Erfahrung nur zu gut um den Wert von Bildung. Noch heute berichten seine ehemaligen Schüler vom Religionsunterricht und den vielen Exkursionen, bei denen es selten allein um Theorie, sondern meist um jüdisches Leben in der Praxis ging.
Auch in die Gesellschaft hinein wirkte und wirkt Rabbiner Berger mit pädagogischem Eifer und Leidenschaft. Ob mit Vorträgen oder auf Podien, bei Führungen oder Symposien, in Büchern oder Artikeln, die er an der Universität Tübingen schrieb und am Haus der Geschichte Baden-Württemberg noch heute schreibt, stets findet er Wege in Kopf und Herz der Menschen.
Fest verwurzelt in unserer jüdischen Religion, ihren Traditionen und ihrer Geschichte, ist Rabbiner Joel Berger auch der Kultur in ihrer ganzen Vielfalt zugewandt und kuratierte gemeinsam mit seiner Frau Noemi über viele Jahre die Jüdischen Kulturwochen in Stuttgart. Intellektuelle Sparringspartnerin, war ihm seine Frau über Jahrzehnte auch die organisatorische und kulinarische rechte Hand, die bei den Ausflügen und Exkursionen von Gemeinde und Religionsschule stets für das leibliche Wohl aller sorgte.
Lernen Bei der ZWST (Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland) in Bad Kissingen feiern beide noch heute mit Gruppen aus vielen Gemeinden gemeinsam Schabbat und die Jamim Towim. Lebenslanges Lernen war und ist ihm ein besonderes Anliegen. Die Jahre mögen verflossen sein, in denen Rabbiner Berger sich nicht nur intellektuell ausgesprochen dynamisch und agil auf dem Grün des Fußballplatzes mit seinen Schülern im Wettstreit maß: Dem SV Werder Bremen ist er auch im fortgeschrittenen Alter treu und feuert ihn bei den Sonntagsspielen leidenschaftlich an. Ein Grund, warum sich der Wahl-Stuttgarter bis heute weigert, Schwäbisch zu lernen.
Mögen Rabbiner Berger noch viele, viele glückliche und gesunde Jahre mit Noemi, seinen Kindern und Enkeln beschieden sein. Masal Tow und weiterhin Sechel und stets ein gewitztes Wort – bis 120.
Die Autorin ist IRGW-Vorstandssprecherin und Präsidiumsmitglied des Zentralrats