Geografisch gesehen liegen gerade einmal 400 Kilometer zwischen Frankfurt und Zürich. Doch religiös liegen die beiden Städte deutlich weiter auseinander. Schon der Anteil orthodoxer Juden in der Schweizer Kantonshauptstadt ist deutlich höher als in Frankfurt.
Insofern kann es eigentlich nicht verwundern, was Makkabi Deutschland nun mit den Zürchern erlebt hat: »Offizielle Aktivitäten unter der Makkabi-Flagge am Schabbat – da machen wir nicht mit«, wird der Schweizer Makkabi-Chef Ronny Bachenheimer im Schweizer Online-Magazin Tacheles zitiert. Konsequenz: Die Schweizer haben ihre Teilnahme an der diesjährigen Makkabiade in Duisburg abgesagt. Denn diese findet vom 13. bis 16. Mai statt – und es wird auch am Schabbat gespielt.
Skandal Für die einen ein Skandal, für die anderen ein pragmatischer Tribut an die überwiegend säkulare jüdische Lebenswelt. »Die Diskussion um Makkabi-Spiele am Samstag gibt es ja nicht erst seit der Makkabiade«, konstatiert Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland und zugleich Vorsitzender von TuS Makkabi Frankfurt. Meyer steht hinter den Samstagsspielen – im Alltag wie auch bei der Makkabiade. »Unsere Intention ist, möglichst viele Menschen mit auf die Reise zu nehmen. Nur ein ganz kleiner Kreis ist observant. Wenn wir das Makkabi-Angebot nach religiösen Richtlinien ausrichten würden, hätten wir nie die Größe erreicht, die wir heute haben.«
Andererseits ist Makkabi ein jüdischer Sportverein – und die Mehrheit seiner Mitglieder gehört einer Religion an, die klare Regeln für das Verhalten am Schabbat vorgibt. Wie religiös müssen Veranstaltungen eines jüdischen Sportvereins also sein? »Grundsätzlich kann ich die Kritik der Züricher Kollegen nachvollziehen«, sagt Meyer, »sie wollen ein Exempel statuieren und nicht an einem Event teilnehmen, dass nicht komplett glatt koscher ist.«
Bindung Aber Makkabi Deutschland sei nun einmal anders: »Makkabi soll für alle Juden eine Heimat sein. Es gibt jüdische Spieler, die wollen auch am Samstag Fußball spielen. Einfach deshalb, weil es in Deutschland praktisch ist, am Wochenende Sport zu treiben.« Ihm sei es daher lieber, wenn jüdische Sportler am Schabbat in einem jüdischen Sportverein Sport treiben, als »dass wir sie an andere Vereine verlieren«.
Zudem seien bei der Makkabiade eben alle Makkabäer dabei, darunter auch viele Nichtjuden. »Genau das macht uns doch aus«, sagt Meyer selbstbewusst. »Wir bauen Brücken zwischen den Religionen.« Makkabi solle für alle Juden – ob observant oder nicht – eine Heimat sein. Und eben auch für Nichtjuden. Sich nach außen zu öffnen, sei nicht nur wichtig, um in bestimmten Sportligen spielen zu können. Meyer verbindet mit dem Makkabi-Gemisch aus Religionen und Kulturen auch »die feste Überzeugung, dass Jugendliche, die heute mit uns zusammen Sport treiben und uns kennenlernen, in der Regel morgen nicht gegen uns kämpfen werden«. Sport als Prävention gegen Antisemitismus funktioniert, ist Meyer überzeugt.
Bei der Makkabiade in Duisburg werden rund 400 Sportler aus 38 Ortsvereinen erwartet. Die Wettkämpfe sind auch offen für jene Spieler, die »nicht gut genug waren für die European Maccabi Games, für Sportler, deren Sportarten in Berlin nicht angeboten wurden, sowie für Nichtjuden«. Trotz der Religionsmischung »können alle, die den Schabbat halten, also Schomer Schabbat sind, problemlos an den Turnieren teilnehmen«, sagt Meyer.
Schabbat Wie das ablaufen soll, erklärt Alexander Bondarenko, Organisationsleiter der Makkabiade: »Sportschießen findet am Schabbat nicht statt. Bei den Ballsportarten haben wir alle Teilnehmer gefragt, ob sie am Schabbat spielen würden.« Grundsätzlich sei dies möglich, sagt Meyer, weil man für die Teilnahme an den Ballsportarten nicht fahren müsse, sondern diese direkt am eigentlichen Veranstaltungsort, in der Sportschule Wedau, stattfänden.
Fußball sei zwar umstritten, weil man dabei Rasen reißen könnte, was am Schabbat nicht erlaubt ist. Aber für die angemeldeten Fußballer sei dies kein Problem. »Es gibt zudem einige Rabbiner, die sagen, Fußballspiel sei erlaubt«, meint Meyer.
Im österreichischen Basketball-Team gebe es drei Spieler, die Schomer Schabbat sind. »Die Anzeigentafeln lassen sich zwar so einstellen, dass sie nicht automatisch bei einem Korbtreffer auslösen, sondern händisch per Knopfdruck von einem Nichtjuden betätigt werden müssen. Aber auch das wollten die Österreicher nicht«, berichtet Bondarenko. »Das war den Spielern nicht recht, weil sie auch diesen Knopfdruck ja mit einem Treffer ausgelöst hatten.« Weil der Verzicht auf den Korbwurf keine Alternative ist, wird das Team aus der Alpenrepublik nun nach Schabbatausgang um 22.30 Uhr mit seinem Spiel beginnen.
Protest »Sie finden diese Lösung total cool«, sagt Bondarenko. Ansonsten habe es von keinem einzigen Spieler eine Rückmeldung oder gar Protest gegeben. »Wir werden am Samstag erst um 11 Uhr mit den Spielen beginnen«, kündigt der Sportchef an. So könne jeder, der wolle, zum Gebet gehen. »Wir bieten außerdem schabbesdige Angebote und Workshops an«, sagt Meyer, und »alle Schiedsrichter oder Punktewerter werden Nichtjuden sein.«
Der Zentralrat der Juden in Deutschland stellt sich als Schirmherr der Deutschen Makkabi-Spiele hinter Makkabi Deutschland und dessen Entscheidung, am Schabbat Turniere zu veranstalten. »Wir können die Haltung von Makkabi Deutschland nachvollziehen, dass es letztlich die Entscheidung jedes Einzelnen ist, wie streng er oder sie den Schabbatregeln folgen möchte. Entscheidend ist, dass Sportler, die den Schabbat halten möchten, ihre Wettkämpfe an den anderen Tagen austragen können«, sagt Zentralratschef Josef Schuster. Niemand, der den Schabbat halte, müsse mit sportlichen Nachteilen rechnen. Eine koschere Verpflegung werde ebenfalls sichergestellt.
»Wir begrüßen es sehr, dass es in Deutschland – wieder – so viele aktive jüdische Sportvereine gibt. Ebenso ist erfreulich, dass auch nichtjüdische Sportler in den Makkabi-Vereinen trainieren und an der Makkabiade teilnehmen können. Das fördert das gegenseitige Verständnis«, stimmt Schuster mit Alon Meyer überein.