Jüdische Gemeinde zu Berlin

Kein ruhiges Wochenende

Sorgen macht sich der Antisemitismusbeauftragte wegen der am Wochenende geplanten Anti-Israel-Demonstrationen in der Hauptstadt (Archivfoto). Foto: dpa

Die Jüdische Gemeinde Berlin hat nach aktuellen Bedrohungen ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Das sagte der Sprecher der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Ilan Kiesling, der Jüdischen Allgemeinen am Freitag.

»Eine Eskalation der Lage in Israel hat leider immer auch Auswirkungen auf unsere Gemeinde«, so Kiesling. »Für unsere Einrichtungen existiert schon seit längerem eine erhöhte Sicherheitsstufe. So haben sich unsere Gemeindemitglieder bereits seit den 70er-Jahren daran gewöhnt, dass das Gemeindeleben quasi hinter Schutzzäunen und Überwachungskameras stattfindet.«

Nicht zuletzt durch den europaweit besorgniserregenden Anstieg der Anschläge auf jüdische Einrichtungen und Personen sei die Gemeinde weiterhin gezwungen, ihre Mitglieder und Einrichtungen auf hohem Niveau zu schützen. »Aktuell hat es leider wieder konkrete Drohungen gegen unsere Gemeinde gegeben. Unsere Sicherheitsmaßnahmen passen wir daher in enger Abstimmung mit den Behörden an die neue Gefahrenlage an.«

SORGEN Von konkreten Drohungen berichtet auch Sigmount Königsberg, der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Der Hass tobe sich insbesondere auch in den sozialen Medien aus, beobachtet er – ohnehin in Bezug auf Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Corona-Krise und jetzt verstärkt im Zusammenhang mit der Eskalation in Nahost. So habe etwa der Verschwörungserzähler, der Vegan-Koch Attila Hildmann, gegen den seit Monaten wegen Volksverhetzung ermittelt wird, dieser Tage auf Telegramkanal direkt zu Mord an Juden aufgerufen.

Auch hätten sich Eltern bei Sigmount Königsberg gemeldet mit ihren Bedenken, ihre Kinder in öffentliche Kitas und Schulen zu schicken. Der Antisemitismus an den Schulen und das damit verbundene Aggressionspotenzial sei ohnehin schon sehr hoch. »Da haben wir schon den Corona-Antisemitismus, jetzt kommen die islamistischen Gewaltandrohungen hinzu«, berichtet Königsberg. »Das ist ganz massiv, die Eltern machen sich große Sorgen.«

»Das ist Antisemitismus pur. Das Existenzrecht Israels zu leugnen, hat nichts mit Solidarität mit den Palästinensern zu tun.«

Sigmount Königsberg, Antisemitismusbeauftragter der Jüdischen Gemeinde zu Berlin

Sorgen macht sich der Antisemitismusbeauftragte auch wegen der am Wochenende geplanten Anti-Israel-Demonstrationen in der Hauptstadt. »Das ist Antisemitismus pur, denn die Leute, die dort demonstrieren, etwa bei der sogenannten Nakba-Demo, negieren klar das Existenzrecht Israels – das hat nichts mit Solidarität mit den Palästinensern zu tun«, meint Königsberg.

In Düsseldorf, Gelsenkirchen und Münster habe man ja schon gesehen, »wie das eskaliert«. Er erwarte jedenfalls »kein sehr beruhigendes« Wochenende;, so Königsberg.        

SCHUTZ Indes sicherte Berlins Innensenator Andreas Geisel der jüdischen Gemeinschaft in Berlin bestmöglichen Schutz zu und verurteilte antisemitische Bedrohungen scharf: »Die Polizei Berlin hat die ohnehin hohen Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen nochmal verschärft. Unsere Sicherheitsbehörden beobachten die Entwicklung im Nahen Osten und ihre möglichen Auswirkungen für Berlin sehr genau«, so Geisel. Die Behörden stünden in engem Kontakt zur jüdischen Gemeinde.

»Ich kann versichern«, unterstrich Geisel, »dass die Behörden in Berlin alles unternehmen, um insbesondere israelische und jüdische, aber auch muslimische und palästinensische Einrichtungen zu schützen. Antisemitische Vorfälle in unserer Stadt sind vollkommen inakzeptabel. Wir treten jeder Form von Antisemitismus und Israelfeindschaft entschieden entgegen. Flaggen zu verbrennen, ist kein Akt der Meinungsäußerung, sondern eine Straftat der Hasskriminalität, die hart verfolgt wird. Das gilt insbesondere auch bei Versammlungen, wo wir wie immer genau hinschauen.«

Derweil sind auch zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen mit Israel geplant. So sei etwa für den 20. Mai eine größere Solidaritätskundgebung geplant, kündigt Sigmount Königsberg an. Und auch die Deutsch-Israelischen Gesellschaft Berlin und Brandenburg (DIG) ruft kurzfristig zu einer Solidaritätskundgebung am Sonntag um 12 Uhr auf dem Sderot-Platz Ecke Martin Buber Straße/ Potsdamer Straße in Berlin-Zehlendorf auf. Es werden Cerstin Richter-Kotowski (CDU), Bezirksbürgermeisterin von Steglitz-Zehlendorf, die ehemalige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, und Rabbiner Yehuda Teichtal sprechen.

ISRAELTAG Am 14. Mai vor 73 Jahren wurde Israel gegründet – für den DIG-Vorsitzenden Berlin und Brandenburg, Jochen Feilcke, »ein Freudentag in schrecklichen Zeiten«. Ab 17 Uhr lädt die DIG daher am heutigen Freitag zu einem »Virtuellen Israeltag Berlin und Brandenburg 2021« ein, der ab 17 Uhr auf YouTube zu sehen ist. Redner wie Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Jeremy Issacharoff, Botschafterin Deutschlands in Israel, Susanne Wasum-Rainer, und die Schauspielerin Iris Berben haben sich angekündigt.

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft Berlin und Brandenburg ruft kurzfristig zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel am Sonntag auf.

Wie schon im vergangenen Jahr kann der Geburtstag nicht wie sonst mitten in Berlin mit einem großen Fest begangen werden. »Wir stehen an der Seite Israels in guten und besonders in schlechten Tagen. Solidarität mit Israel ist besonders jetzt gefordert. Dabei appellieren wir an die Bundesregierung, die EU und die USA, der terroristischen Gewalt der Hamas ein sofortiges Ende zu bereiten. Schluss mit allen Geldzahlungen an die Terroristen«, so Feilcke.

»Wir sind hilflos und erschüttert«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Ursache und Wirkung des Konflikts würden verzerrt, kritisiert der Berliner DIG-Chef. »Etwa 2000 Raketen werden auf Israel geschossen, Wohngebiete werden angegriffen, da muss die Weltöffentlichkeit Farbe bekennen und klare Kante zeigen.« Die Sicherheit Israels sei eine Herzensangelegenheit.

SUKKAT SCHALOM Auch Bischof Christian Stäblein von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) distanziert sich deutlich von antisemitischen und anti-israelischen Tendenzen. Der Geistliche wird am Freitagabend auf Einladung von Rabbiner Andreas Nachama am Gottesdienst der Synagogengemeinde Sukkat Schalom teilnehmen und ein Wort der Solidarität sprechen. Der Gottesdienst findet um 19.30 Uhr als Zoom-Gottesdienst statt.

»In dieser angespannten Situation setze ich mit meiner Teilnahme ein Zeichen der Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde in Berlin«, sagte der evangelische Bischof. Er rufe alle Mitglieder »unserer Kirche und alle Berlinerinnen und Berliner auf, in dieser Situation an der Seite der Jüdinnen und Juden sowie der jüdischen Einrichtungen in unserem Land zu stehen. Wir wollen Gesicht zeigen gegen antisemitische Parolen und Hass«, so Bischof Christian Stäblein. mit Christine Schmitt

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