Im April zeigte das Bayerische Fernsehen ein Porträt des arabischen Israelis Ahmad Mansour, der 1976 in Tira nahe Kfar Saba zur Welt kam und seit 2017 auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Es skizzierte eindrucksvoll Alltag, Arbeits- und Denkweise und daraus resultierend die Bedrohung des Psychologen und Publizisten, der sich dem Kampf »Gegen den Hass« verschrieben hat.
Das Wort Kampf ist nicht von ungefähr gewählt, zeigt die Reportage doch einen bedachtsam argumentierenden, in der Deutlichkeit seiner Aussagen jedoch unmissverständlichen, im Privaten fast melancholischen, doch unermüdlich für konsequente Prävention eintretenden Mann, der keinen Jugendlichen an Judenhass und Rassismus verloren geben will.
Vom Israelfeind zum Judenversteher und Antirassismusexperten
Wer Mansour, der sich im Laufe seines Psychologie-Studiums in Tel Aviv vom Israelfeind zum Judenversteher und Antirassismusexperten entwickelte, persönlich erleben wollte, hatte in München vor Kurzem zweimal Gelegenheit dazu. Zum ersten Termin luden die Wohltätigkeitsorganisation Keren Hayesod (KH) und der Verband Jüdischer Studenten in Bayern (VJSB), der getreu seinem Namen die Interessen junger Juden hierzulande vertritt, ein.
Amir Borenstein, Vorsitzender von KH München, dankte Ahmad Mansour für seinen unerschrockenen Einsatz für Aufklärung und Verständigung. VJSB-Vorsitzender Michael Movchin führte mit dem Ehrengast ein einstündiges Gespräch, das kurzweiliger, erhellender und leider auch deprimierender nicht hätte sein können.
Ahmad Mansour machte deutlich, dass das Problem einer vermuteten Indoktrination nicht mehr in den Moscheen Deutschlands liege, sondern im Internet.
Ahmad Mansour machte deutlich, dass das Problem einer vermuteten Indoktrination nicht mehr in den Moscheen Deutschlands liege, sondern im Internet. Längst würden sich radikale Influencer über die sozialen Medien und digitale Foren an Jugendliche wenden. Eltern, Schulen und bedauerlicherweise auch Behörden würden dies nicht erkennen oder seien in Hilfslosigkeit erstarrt.
2017 gründete der seit 2004 in Deutschland lebende Islamismusforscher gemeinsam mit seiner Frau Beatrice in Berlin die »Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention« (MIND). Deren Expertise, das betonte Mansour, die jeder Behörde, Institution und Initiative, die sich mit Antisemitismus, Rassismus, Islamismus und Israelhass konfrontiert sieht, zugänglich ist, wird von keinem Bundesland so intensiv genutzt wie von Bayern. Und selbst jene, die das Richtige tun, würden in ihrer »Blase« verharren. Dabei gebe es keinen Anlass zur Beruhigung.
Mit diesem Gedanken mischte Ahmad Mansour drei Tage später auch die Gesprächsrunde zum Abschluss eines Israel-Fachtags im Bayerischen Landtag auf. Doch bis es dazu kam, hatte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, das für das »Gesamtkonzept Jüdisches Leben und Antisemitismusprävention, Internationale zeithistorische Bildungsarbeit« verantwortlich ist, vieles getan, um ihr Studienseminar zum »Young Leadership Programm 2023/24« zum Erfolg zu führen.
»Alles muss auf den Prüfstand«, lautet das Fazit Ahmad Mansours.
Am Auftakt nahmen zwei wichtige Persönlichkeiten des Bayerischen Landtags teil. Landtagspräsidentin Ilse Aigner beschloss ihre Begrüßung mit dem spürbar aufrichtig gemeinten Satz: »Israel kann sich auf Bayern verlassen.«
Anna Stolz, Staatsministerin für Unterricht und Kultus, dankte dem Unternehmer Harry Habermann, der das »Young-Leadership-Programm« seit Jahren großzügig unterstütze. Auch sie bekräftigte, dass in Bayern kein Platz für Antisemitismus ist, dass dazu jedoch Prävention an Schulen notwendig sei. Ein wichtiger Baustein seien Information und Austausch.
Wissen über Israel digital und analog
Statt der geplanten Studienfahrt für Lehrkräfte und Schüler, die wegen des Terrorangriffs der Hamas abgesagt werden musste, kam das Wissen über Israel digital und analog in den Landtag. Gisela Dachs, Professorin an der Hebräischen Universität Jerusalem, beschrieb, zugeschaltet aus Tel Aviv, den Zustand der israelischen Gesellschaft vor und nach dem 7. Oktober 2023. Israel sei ein kleines Land mit Krieg an sieben Fronten. Jeder kenne Todesopfer oder jemanden, der Angehörige und Freunde verloren habe.
Der Fernsehjournalist und Autor Richard Chaim Schneider erläuterte in seinem Vortrag »Die Macht der Medien – welche Verantwortung haben Medien in krisenhaften Zeiten?«, warum der Berichterstattung deutscher Reporter aus dem Nahen Osten – ohne Kenntnis des Hebräischen und Arabischen – so wenig zu trauen sei. Man solle sich bewusst sein, unabhängig von den innenpolitischen Verwerfungen in Israel, dass die Hamas keine Zweistaatenlösung anstrebe, sondern die Vernichtung Israels.
Nach einer Reihe weiterer Vorträge und Gesprächsforen zum Nahostkonflikt, zu Antisemitismus in sozialen Medien und zum Thema Jugendaustausch kamen Abgeordnete wie beispielsweise Markus Rinderspacher (SPD), Florian Streibl (Freie Wähler), die Bildungsbeauftragte von Bündnis 90/Die Grünen, Gabriele Triebel, und der Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU) zum Zuge. Diese Runde rüttelte Mansour mit dem Satz auf: »Unsere Erinnerungskultur ist gescheitert.« Für den Psychologen besteht deshalb kein Zweifel: »Alles muss auf den Prüfstand.«