Große Trauer herrscht um Kantor Nikola David, der am Freitag, 2. August, gestorben ist. »Er war ein Ausnahmemensch und ein Ausnahmemusiker. Seine Tenorstimme wird uns fehlen.« Das sagt Eric Smutny, Vorstandsmitglied der Münchner Gemeinde Beth Shalom über den Kantor, der am Freitag in Augsburg offenbar Opfer einer Gewalttat wurde. Es gebe dem Gemeindevorstand zufolge keinen antisemitischen Hintergrund. Nach Informationen der Jüdischen Allgemeinen stammt der Täter mutmaßlich aus dem Familienkreis. Die Polizei ermittelt derzeit wegen des Verdachts auf Totschlag. Der Tatverdächtige wurde am Wochenende dem Ermittlungsrichter vorgeführt.
Neben dem Rabbiner sei der 55-jährige Nikola David einer der wichtigsten Säulen in der Gemeinde gewesen, sagt Smutny: »Er war immer freundlich, zugewandt, fröhlich.« Neben seiner Tätigkeit in den Gottesdiensten hat er ebenfalls den Bar- und Batmizwa-Unterricht gestaltet. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, schrieb bei X, dass sie bestürzt sei über die Nachricht vom plötzlichen Tod von Nikola David, sel. A.: »Meine Gedanken inmitten dieser Tragödie sind bei seiner Familie. Sein Tod markiert einen schmerzhaften Verlust für die jüdische Gemeinschaft in München.«
Am Mittwoch wurde Nikola David in München beerdigt. Rabbiner Tom Kučera und die Kantoren Amnon Seelig, Assaf Levitin und Isidoro Abramowicz amtierten. Etwa 300 Trauernde kamen.
Kantor Nikola David wurde in Bela Crkva im heutigen Serbien geboren. Er studierte Musikpädagogik und Gesang in Novi Sad und wirkte als Opernsänger unter anderem am Landestheater Thüringen in Eisenach, am Theater Augsburg und am Anhaltischen Theater in Dessau. Dann entschloss er sich, einen neuen Weg einzuschlagen und absolvierte am Abraham Geiger Kolleg in Potsdam eine Kantorenausbildung. Seine Investitur als Kantor erfolgte im April 2013. Seit 2014 war Nikola David Kantor der Liberalen jüdischen Gemeinde München Beth Shalom.
Auch die Mitglieder des Verbandes Jüdischer Kantoren sind geschockt und zutiefst bestürzt über den Tod »unseres guten Freundes und Kollegen«. Weiter heißt es in einer Pressemitteilung: »Nikola war nicht nur ein herzensguter und treuer Mensch, er war auch eine wichtige Stimme in der Welt der europäischen Synagogalmusik.« David habe in den vergangenen Jahren Werke aufgenommen, die vor dem Krieg in der Münchner Synagoge gespielt wurden, und wollte so zur Erhaltung dieser wichtigen Literatur beigetragen.
»Ich kann mich noch sehr gut an die erste Aufnahmeprüfung der Kantorenausbildung 2008 erinnern, schon damals fiel Nikola durch seine wunderschöne Tenorstimme, seine spontane Musikalität und seine warmherzige Ausstrahlung auf«, sagt Jascha Nemtsov vom Abraham Geiger Kolleg. »Es war eine Freude, mit ihm zu musizieren – er war ein geborener Musiker, der jede Art von Musik tief empfand. Als meine Mutter starb, sang er bei ihrer Beerdigung, ich werde seinen ergreifenden, bewegenden Gesang nie vergessen.« Sie blieben Freunde auch nach seinem Abschluss. »Ich freute mich, dass Nikola David als Kantor an der Gemeinde Beth Shalom so erfolgreich und beliebt war. Im März dieses Jahres war Nemtsov bei einer Veranstaltung in München und nach langer Zeit hatte er wieder die »Freude, ihn am Klavier zu begleiten. Wir unterhielten uns lange und es ist mir jetzt unbegreiflich, dass dieses Gespräch unser letztes wurde«.
Isidoro Abramowicz, Leiter der Kantorenausbildung am Geiger Kolleg und Kantor der Berliner Synagoge Pestalozzistraße, erinnert sich ebenfalls noch an die Aufnahmeprüfung. Sie wurden sofort Freunde. »Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, gemeinsam konzertiert und zusammen die Investitur erhalten.« David hätte über eine schöne Stimme verfügt, war wegen seiner Freundlichkeit sehr beliebt. Ferner sei er wissbegierig und ehrgeizig gewesen. »Er wird mir fehlen«, sagt Isidoro Abramowicz.
»Mit unfassbarer Trauer erfüllt uns die Nachricht vom Tod unseres ehemaligen Chorleiters Nikola David«, so auch der Berliner Shalom-Chor. Vor wenigen Wochen erst war David Ehrengast bei der Feier anlässlich des 30-jährigen Bestehens, wo »sein liebevolles Lächeln uns während des ganzen Konzertes aus dem Publikum heraus begleitet hat«. Seine Herzlichkeit und sein mitreißendes Wesen würden für immer unvergessen bleiben. »Er bleibt in unserer Mitte, und seine Stimme klingt in unseren Herzen, wo immer wir singen«, schreibt der Shalom-Chor. »Wir umarmen seine trauernde Familie und stehen ihr bei«, so der Verband Jüdischer Kantoren.