Düsseldorf

Kamele, Liebe, Politik

Demnächst auch beim Filmfestival in Düsseldorf auf der Leinwand: die Komödie »No Name Restaurant – Nicht ganz koscher« aus dem Jahr 2022

Adel sucht sein Kamel, und Ben soll die jüdische Gemeinde in Alexandria retten. Das Problem: Beide sitzen in der Wüste fest, beide kennen sich nicht, beide müssen irgendwie miteinander auskommen. Die Komödie No Name Restaurant – Nicht ganz koscher aus dem Jahr 2022 begleitet Ben und Adel auf ihren Wegen durch Hitze, Sand und gegenseitige Vorurteile.

Und zeigt gelungen, dass es auch nicht immer die subtilen Töne sein müssen, die Menschen erfreuen. No Name Restaurant – Nicht ganz koscher ist nur einer von sieben Filmen, die auf dem diesjährigen Paul-Spiegel-Filmfestival zu sehen sein werden.

Im Jahr 2005 organisierte die Jüdische Gemeinde Düsseldorf ein Filmfestival: Damals hatte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, die ersten Jüdischen Filmtage in Düsseldorf ins Leben gerufen. Nach seinem Tod 2006 wurde das Festival nach ihm benannt.

Seit 2018 kuratiert Polina Ivanova das Festival

Seit 2018 kuratiert Polina Ivanova das Festival: Bereits ein Jahr im Voraus fange sie an, nach guten Filmen Ausschau zu halten. Sie sollen jüdisches Leben in all seinen Facetten zeigen: in Israel und in der Diaspora, dramatisch oder lustig, religiös oder säkular, auf Hebräisch, Russisch, Deutsch. »Ich mag kontroverse Filme, nach denen man im Kinosessel sitzen bleibt und gleich etwas zu diskutieren hat«, sagt Ivanova.

Filme, die jüdisches Leben mit rosa Filter zeigen, lehne sie ab. Und auch Streifen, mit denen nur das Feuilleton etwas anfangen kann, lasse sie weg. »Ich frage mich immer: Würde ich in diesen Film meine nichtjüdische Freundin, ihre Tochter und vielleicht noch einen Neffen mitnehmen?« Wenn ja, dann kommt er schon einmal in die nähere Auswahl.

»Ich mag Filme, die jüdisches Leben ohne rosa Filter zeigen.«

Kuratorin Polina Ivanova

Die Filme werden in öffentlichen Kinos in Düsseldorf und Neuss gezeigt, sie sollen vor allem ein junges, nichtjüdisches Publikum ansprechen und ein realistisches Bild des Judentums vermitteln, erklärt Polina Ivanova. »Ich bin der Überzeugung, dass ein Großteil des Alltagsantisemitismus darauf basiert, dass die Leute nichts über Juden wissen oder verzerrte Bilder von uns haben.« Dem sollen die Filmtage entgegenwirken.

In diesem Jahr sei die Auswahl komplizierter als sonst gewesen: Nach dem 7. Oktober 2023 und dem Krieg in Gaza hätte sie gern Filme gezeigt, die diese Traumata thematisieren – »aber bisher gibt es leider nur Dokumentationen dazu«. Und von der Vorgabe des Festivals, nur Spielfilme zu zeigen, wollte sie nicht abweichen. Auch hatte sie im Vorfeld die Befürchtung, dass die Kinos das Zeigen der Filme aus politischen Gründen ablehnen – erst Anfang Mai hatte das Frankfurter Kino Cinema die Preview des Films Golda abgesagt.

»Bisher sieht es aber gut aus, alle Kinos waren sehr kooperativ«, erzählt Ivanova. Auch Golda, das Drama über die alternde israelische Präsidentin Golda Meir, die den Angriff zu Jom Kippur 1973 abwehren muss, soll in Düsseldorf laufen. »Das ist unser Highlight«, sagt Ivanova, »wir zeigen den Film noch vor seiner deutschen Premiere.«

Raum für Diskussionen

Ähnlich wie Golda bieten auch die anderen Filme des Paul-Spiegel-Filmfestivals 2024 durchaus Themen, die eng mit der momentanen Situation der Israelis und Juden weltweit verknüpft sind und den Raum für Diskussionen öffnen. Auch sollen sie das spezifische deutsch-jüdische Verhältnis ansprechen und den Perspektivwechsel auf die Geschichte ermöglichen.

So geht es in Der verlorene Zug um einen Deportationszug, der kurz vor dem Kriegsende in Richtung Theresienstadt strandet. Der Lokführer flieht vor der nahenden Roten Armee. Die jüdischen Passagiere sind in dieser völlig chaotischen Situation sich selbst überlassen. Es entspinnt sich eine unerwartete Freundschaft zwischen der jüdischen Niederländerin Simone, der jungen Deutschen Winnie und der russischen Scharfschützin Vera. »Es ist auch ein Film, der die Rolle der Frauen in unserer Geschichte neu infrage stellt«, sagt Ivanova.

Sieben Filme sind während des Festivals zu sehen.

Auch der Film Plan A hinterfragt gängige Geschichtsnarrative: Er zeigt die wahre Geschichte einer Gruppe Holocaust-Überlebender, die für jeden ermordeten Juden einen Deutschen töten wollen. Auch der Film Delegation beschäftigt sich mit der Schoa, allerdings aus aktueller israelischer Perspektive: Wie es in Israel für Abiturienten üblich ist, begeben sich die Protagonisten am Ende ihrer Schulzeit mit ihrer Klasse und einem Zeitzeugen auf eine Exkursion nach Polen, um ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager zu besuchen.

Zimmerpartys, Sorgen, die erste Liebe

Zwischen die Ausflüge nach Majdanek und Auschwitz mischen sich Zimmerpartys, Sorgen, die erste Liebe. »Es ist ein großartiger Film für Jugendliche«, findet Ivanova. Ihr sei es wichtig, dass gerade junge Leute zum Filmfestival kommen.

Die Filme Tel Aviv Beirut und Valeria Is Getting Married widmen sich hingegen aktuellen Problemen der modernen israelischen Gesellschaft. Auch hier sind wieder Frauen in den Hauptrollen, die sich gegen kämpfende, patriarchale, eifersüchtige Männer auflehnen.

Die Komödie No Name Restaurant – Nicht ganz koscher wiederum nimmt den jüdisch-arabischen Konflikt aufs Korn: ein orthodoxer Jude, ein Beduine und die Wüste. »Bei all dem Drama ist es doch wichtig, auch einmal richtig lachen zu können«, findet Ivanova.

Weitere Infos zum diesjährigen Paul-Spiegel-Filmfestival unter www.juedischewelten.com

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