Als Heinz Abrahamsohn am 27. Februar 1943 nach Hause kommt, trifft er niemanden an. Ein Nachbar richtet dem 16-Jährigen aus, wo er sich melden soll, um gemeinsam mit seinen Eltern in den Osten deportiert zu werden. Daraufhin entschließt sich Abrahamsohn, unterzutauchen. Bald schon begegnet er der zionistischen Jugend-Widerstandsgruppe Chug Chaluzi (Pionierkreis), die ihm in den verbleibenden Kriegsjahren entscheidenden Halt gibt. Er überlebt im Untergrund. Aus Heinz Abrahamsohn wird in Israel Zvi Aviram. Dort wird er seine Erinnerungen an jene Zeit in Berlin aufschreiben.
Der Theaterregisseur Boris von Poser hat für eine Bühnenfassung auf dessen Lebensgeschichte zurückgegriffen, die in deutscher Sprache unter dem Titel Mit dem Mut der Verzweiflung erschien. Auch auf Gad Becks Buch Und Gad ging zu David stützt sich das Stück, ergänzt durch die Erinnerungen von Jizchak Schwersenz (Die versteckte Gruppe) sowie Edith Wolffs 50-seitigem Bericht für die Gedenkstätte Yad Vashem.
Die Bühnenfassung stützt sich auf Lebensgeschichten Überlebender.
Es ist die Geschichte eines weitgehend in Vergessenheit geratenen jüdischen Widerstands in Nazi-Deutschland – aus dem kollektiven Bewusstsein verdrängt durch die gigantischen Verbrechen der Schoa, der auch Mitglieder von Chug Chaluzi zum Opfer fielen. Bei dieser künstlerischen Aufgabe stand Boris von Poser die Historikerin Beate Kosmala beratend zur Seite, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gedenkstätte Deutscher Widerstand seit vielen Jahren mit der Thematik beschäftigt ist.
COURAGE Vier Schauspieler und zwei Schauspielerinnen (Konstantin Krisch, Barbara Stephenson, Florian Rast, Daniel Grave, Stella Maria Adorf und Gerald Michel) erweckten bereits in einer ersten Vorstellungsserie im vergangenen Herbst diesen Stoff zum Leben. Dabei waren auf der Bühne die authentischen Aussagen der realen Protagonisten zu hören. Nun wird die Stückcollage, die nach dem Motto der Gruppe Trotz Alledem – Af Al Pi Chen benannt ist, in Berlin erneut aufgeführt. Die Zuschauer erwartet ein Theaterabend, der vom schieren Lebenswillen und der Courage der Widerstandsgruppe Chug Chaluzi und ihrer Helfer kündet.
Das Ensemble um den Autoren-Regisseur Boris von Poser hat über die üblichen Theaterbesucher hinaus ein bestimmtes Zielpublikum vor Augen. Im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen erklärt er: »Die Geschichte von Chug Chaluzi zeigt für Jugendliche heute eine frische Perspektive auf die damalige Zeit und ist damit ein starker emotionaler Anknüpfungspunkt für diesen Zuschauerkreis.« Es handele sich ja auch um jugendliche Protagonisten: »Zvi war 16, als er zur Gruppe kam, Gad war 19, die beiden anderen etwas älter.«
Das Ziel sei es, bei den jugendlichen Zuschauern eine Identifikation zu schaffen, indem man sie in die Perspektive der jungen Juden von damals versetzt. Hierfür stehe sein Ensemble auch für Aufführungen in Schulen zur Verfügung.
ZEITZEUGEN Boris von Poser ist zuversichtlich, dass Theaterproduktionen wie diese heute eine Aufgabe erfüllen können, die in den vergangenen Jahrzehnten noch von Überlebenden der Schoa eingenommen wurde: »Die Zeitzeugen werden immer weniger, und da muss das Theater einspringen.« Es habe nämlich die Möglichkeit, reale Personen vor sein Publikum zu stellen. »Damit kann man oftmals mehr Empathie erzeugen, als dies ein Film oder ein Buch vermag.«
Die Vorstellungen am 23. und 24. April jeweils um 19.30 Uhr in der Villa Elisabeth, Invalidenstraße 3, mussten leider abgesagt werden. Das Stück kann auch für Schulen gebucht werden: kuenstleradvokatinnen@gmail.com