In Berlin hat am Donnerstagabend der Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) und des Zentralrats der Juden in Deutschland begonnen. 400 junge Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren sind zu dem viertägigen Treffen unter dem Motto »Wie antisemitisch ist Europa heute?« angereist – oder wollen am heutigen Freitag eintreffen. Beni Bloch, Leiter der ZWST, sagte zur Eröffnung, das Thema Antisemitismus könne nicht ad acta gelegt werden: »Wir stellen fest, dass es wieder aktuell wird.«
Mark Dainow, Jugendreferent und Präsidiumsmitglied des Zentralrats, zitierte die jüngste Umfrage der EU-Grundrechteagentur (FRA) zum Antisemitismus und beklagte, nach Angaben des Innenministeriums in Berlin habe die Zahl der antisemitischen Vorfälle in den vergangenen beiden Jahren um 10,9 Prozent zugenommen. »Dass sich Juden im Herzen des liberalen Westeuropa nicht mehr sicher fühlen können, müsste für die europäischen Demokratien (...) eigentlich ein äußerstes Alarmzeichen sein«, so Dainow.
Ex-Jobbik Den Hauptvortrag des Abends hielt Csanád Szegedi, parteiloser Abgeordneter des Europaparlaments aus Ungarn, der bis 2012 der rechtsextremen Jobbik-Partei angehört hatte. Szegedi, der bei Jobbik stellvertretender Parteivorsitzender war und auch der inzwischen verbotenen ultranationalistischen Ungarischen Garde angehört hatte, verließ die Partei, nachdem er von einem Jobbik-Mitglied mit seinen jüdischen Wurzeln konfrontiert worden war. Bei Recherchen in der Familie erfuhr er, dass seine Großmutter Auschwitz überlebt hatte und viele seiner Verwandten ermordet worden waren. In seinem Vortrag schilderte Szegedi seinen Weg zurück zum Judentum mithilfe von Rabbinern in Budapest, bekannte sich zur Tschuwa und zur Einhaltung der Gebote der Tora.
Szegedis Vortrag stieß beim Publikum auf ein gemischtes Echo. Beni Bloch wünschte dem jüdischen Politiker Erfolg auf seinem neuen Weg, sagte aber auch unter Beifall: »Sie haben viele gute Taten zu vollbringen, bevor man diesen Blödsinn, den Sie davor verzapft haben, entschuldigen kann.« Während einige Teilnehmer Szegedis Bekenntnis zum Judentum positiv sahen, stellten ihm andere höchst kritische Fragen oder protestierten sogar gegen seinen Auftritt. »Einer der Gründe, warum ich in Deutschland bin, sind Menschen wie Sie, Herr Szegedi«, sagte eine 23-jährige Frau aus Ungarn, die in Süddeutschland Psychologie studiert.
Für den heutigen Freitag sind Workshops und Seminare im Haus der Wannsee-Konferenz geplant. Im Zentrum steht eine Rede von Zentralratspräsident Dieter Graumann. Am Samstag besuchen die Teilnehmer weitere zahlreiche Workshops, bevor am Samstagabend die Party mit der israelischen Showband »Netanel Kuperman« steigt. Mit der Abschlussdiskussion am Sonntag endet dann der Jugendkongress.