So mag Gunter Demnig, Erfinder der Stolpersteine, sein Projekt ursprünglich geplant haben: Interessierte Bürger – vielleicht Schüler – beschäftigen sich mit dem Schicksal ihrer ehemaligen jüdischen Nachbarn, erforschen ihr Leben, suchen nach ihrem Verbleib und setzen ihnen mit einem Stolperstein ein Erinnerungszeichen. Im badischen Lahr, im südwestlichen Zipfel Deutschlands, haben Schüler der zehnten Klasse der Friedrichschule genau dieses unternommen.
Ausgrenzung Sie fragten nach, wo jüdische Nachbarn ausgegrenzt, warum Kranke und Hilflose Opfer der NS-Euthanasie wurden, Juden von einem auf den anderen Tag verschwanden. Diese 16-Jährigen, viele von ihnen mit Migrationshintergrund, können und wollen »nicht verstehen, dass Menschen wegen ihres Glaubens, ihrer sexuellen Orientierung, einer Behinderung oder aufgrund ihrer ethnischen oder nationalen Herkunft ausgegrenzt und erniedrigt werden«.
Sie forschen und erfahren, wie jüdische Apotheker, Zahnärzte und Tierärzte ihre Zulassung verlieren, dass die Großmutter einer Mitschülerin Opfer der Euthanasie war. Und sie dringen zu den politischen Hintergründen vor, weil sie den »vermeintlichen Gründen für die Diskriminierung mit Fassungslosigkeit« gegenüberstehen.
Paten Sie erfassen die Biografien der betroffenen jüdischen Familie, der Angehörigen von Krankenmorden und nehmen Kontakt zu einigen von ihnen auf. Und sie sprechen mit Paten der Stolpersteine und ihren Beweggründen, diese verlegen zu lassen. Die Schüler katalogisieren die verlegten Steine, zeichnen sie in einen Stadtplan ein. Sie führen Interviews mit Lahrer Bürgern und finden engagierte Menschen, die nicht alle der Nazi-Herrschaft dienten.
Es ist eine bemerkenswerte Schülerarbeit. Wer auch immer sich über den Sinn der Verlegung von Stolpersteinen streiten mag, die in diesem Büchlein zusammengefassten Rechercheergebnisse sind im besten Sinne Erinnerungsarbeit. hso
Historischer Verein für Mittelbaden (Hrsg.): »Stolpersteine an der Lahr. Ein Geschichtsprojekt mit Schülern der 10a der Friedrichschule«. Verlag Regionalkultur, Ubstadt- Weiher 2015, 96 S., 9,90 €