Jüdisches Leben und jüdische Errungenschaften sollen nach Ansicht von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein sichtbarer werden. »Juden haben Schleswig-Holstein geprägt. Wir verdanken ihnen einen Großteil unseres kulturellen, künstlerischen und gesellschaftlichen Reichtums«, sagte Günther am Mittwochabend in Kiel beim Festakt der Jüdischen Gemeinschaft Schleswig-Holstein zum Festjahr »1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland«.
Das Judentum müsse ohne Angst gelebt werden können, sagte Günther. »Wehren wir uns gegen den wachsenden Antisemitismus.« Alle zivilgesellschaftlichen Kräfte müssten frühzeitig und gemeinsam gegen Antisemitismus und Rassismus aufbegehren. »Es erfordert heute leider Mut, in der Öffentlichkeit eine Kippa zu tragen. Wenn wir das hinnehmen, erfordert es morgen schon Mut, sich für einen Juden einzusetzen. Es ist ein immerwährender Kampf, der keine Pause erlaubt.«
Die jüdische Gemeinschaft wolle die Gesellschaft mitgestalten und sehe in Deutschland ihre Zukunft, sagte der Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster. »Dies ist jedoch nur möglich, wenn wir Vertrauen haben können, dass wir in Deutschland sicher leben können.« Nötig sei eine konsequente Politik gegen Antisemitismus und eine engagierte Zivilgesellschaft. Schuster forderte auch, dass Juden im Schulunterricht nicht nur als Opfer dargestellt werden. Sonst würden die Begriffe Opfer und Jude zu Synonymen. »Wir wollen jüdisches Leben spürbarer machen.«
Die Vizepräsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Kirsten Eickhoff-Weber (SPD), forderte die Gesellschaft auf, sich jederzeit mit klarer Haltung und Entschlossenheit gegen jedwede Ausgrenzung, Ablehnung und Antisemitismus zu stellen. »Jüdisches Leben gehört zu uns und jede Demokratin, jeder Demokrat, muss dafür Sorge tragen, dass sich jüdisches Leben heute frei entfalten kann«, betonte Eickhoff-Weber. »Wir müssen das Jubiläum für die Gegenwart und Zukunft nutzen. Für viele Menschen ist jüdisches Leben unbekannt. Dabei gehört es zu unserer Geschichte, gehört heute zu uns und wird in Zukunft zu uns gehören.«
Der Beauftragte für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus des Landes Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen (CDU), warb dafür, jüdisches Leben bekannter und begreifbarer zu machen. Besonders wichtig sei, dass man miteinander ins Gespräch komme. Toleranz alleine sei nicht ausreichend. »Auch ich bin erst 1947 geboren und gehöre zu denen, denen die späte Gnade der Geburt eine Verantwortung aufbürdet. Wir haben eine Verantwortung für jüdisches Leben in Deutschland und hier in Schleswig-Holstein«, sagte er.
Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, sagte mit Blick auf ihre jüdische Familie: »Mein Großvater wäre stolz, wenn er wüsste, dass ich hier heute sitze. Es ist keine Selbstverständlichkeit.«
Die älteste überlieferte Quelle, die jüdisches Leben auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland erwähnt, stammt nach Angaben der Jüdischen Gemeinschaft aus dem Jahr 321. In Schleswig-Holstein wurde jüdisches Leben demnach erstmals vor rund 700 Jahren beschrieben, seit rund 400 Jahren ist die Existenz jüdischer Gemeinden belegt. dpa/ja