Dorsten

Jüdisches aus der Region

Der Anfang des Jüdischen Museums Westfalen in Dorsten war nicht ganz unproblematisch. Thomas Ridder, Kurator und wissenschaftlich-pädagogischer Mitarbeiter, erinnert sich an die Einwände vor 25 Jahren, als der »Verein für jüdische Geschichte und Religion« gegründet wurde. »An der Ausstellung wurde kritisiert, dass sie ein Einheitsjudentum vermittle und zu wenig auf die Vielfalt im Judentum eingehe. Das habe damals an der mangelnden Kenntnis der Besucher über das Judentum gelegen. Das Museum passe sich diesem Umstand an.« Die Kritik fiel auf fruchtbaren Boden und wurde konstruktiv verarbeitet.

Entstanden war die Forschungsgruppe, die für die Etablierung des Jüdischen Museums Westfalen verantwortlich ist, im Rahmen der in den 80er-Jahren durch historisch interessierte Bürger initiierten »Geschichtswerkstätten«. Die lokale Geschichte stand im Fokus, und sie wurde anhand von erhaltenen Sachgegenständen und Berichten erforscht.

So auch in Dorsten. Die sieben stetigen Mitglieder Christel Winkel, Wolf Stegemann, Elisabeth Schulte-Huxel, Anke Klapsing, Johanna Eichmann, Dirk Hartwich und Brigitte Stegemann-Czurda formierten sich 1982 unter dem Namen »Dorsten unterm Hakenkreuz« und stellten lokal- und regionalgeschichtliche Analysen zur NS-Zeit und zur jüdischen Historie an.

Lokales Interesse »Im Vordergrund standen Fragen wie zum Beispiel: Wie sah die Naziherrschaft hier vor Ort aus? Welche Spuren jüdischen Lebens sind noch aufzufinden? Gibt es auskunftsbereite Zeitzeugen? Wie war das Zusammenleben von Juden und Nichtjuden? Wie haben sich Lokalpolitik, Stadtgesellschaft, Kirchen und lokale Eliten während der NS-Zeit und danach verhalten?«, erklärt Norbert Reichling, Leiter des Museums und Vorsitzender des Trägervereins.

Es entstanden Publikationen, die sich mit den sogenannten weißen Flecken in der deutschen Geschichte nach 1945 beschäftigten und sie auszufüllen versuchten. Jahrzehntelang waren Akten in Archiven unter Verschluss gehalten worden und waren der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Erst 1988, 50 Jahre nach der Pogromnacht, sollte mit dem zuerst vorsichtig benannten »Dokumentationszentrum« das Bedürfnis Interessierter gestillt und die breite Öffentlichkeit für die Aufarbeitung sensibilisiert werden. Doch aufgrund der geringen Kenntnis der Besucher über das Judentum wurde es vorerst eine Art Informationszentrum.

Heute, 20 Jahre nach der Museumseröffnung und 25 Jahre nach der Gründung des Vereins, erinnert Ridder an die damalige Kritik und daran, dass mithilfe von Landesmitteln der Bau museumsgemäß hergerichtet wurde. Der Landschaftsverband stand beratend zur Seite. Gemeinsam mit der NRW-Stiftung sammelte er Geld für eine Dauerausstellung. Ende der 90er-Jahre, zehn Jahre nach der offiziellen Eröffnung, konnte das Jüdische Museum Westfalen die Grundsätze jüdischen Lebens und die Vielfalt jüdischer Religion und Kultur vereinen.

Aufgeklärter »Die Besucher sind heutzutage viel aufgeklärter über das Judentum. Wir vermitteln immer noch grundsätzliches Wissen, können aber auch aktuelle Themen, wie zum Beispiel die Beschneidungsdebatte, aufgreifen«, sagt Ridder.
Holocaust Auch die Dorstener Museumsmacher stellten fest, dass viele Besucher Judentum mit dem Holocaust assoziieren.

Deswegen versuchte das Museum, auch jenseits der zwölf Jahre NS-Zeit die 1000 Jahre alte Geschichte von Juden in Westfalen aufzugreifen, denn sie hat viel zu erzählen. Gab es doch in Westfalen Persönlichkeiten, die eine bedeutende Rolle im deutschen Judentum spielten. Zu nennen wäre der Münsteraner Bankier Leo von Münster, der um das Jahr 1350 lebte. Oder die Händlerin Freuchen Gans, die im 16. Jahrhundert in Hamm geboren wurde, sowie Benno Elkan, der die große Menora schuf, die heute vor der Knesset in Jerusalem steht.

Aus Bocholt stammte die Parlamentarierin Jeanette Wolff, die als bedeutendste jüdisch-deutsche Nachkriegspolitikerin gilt und von 1951 bis 1961 Bundestagsabgeordnete der SPD war. Aber auch das Leben unbekannter westfälischer Persönlichkeiten wird vorgestellt, um eine Vielfalt zu vermitteln und einer Stereotypisierung entgegenzuwirken.

Ruhr.2010 2010 gab es ein soziales Projekt, das eingens für das Kulturereignis »RUHR.2010« geschaffen wurde und sich mit aktuellen Problemen jüdischen Lebens in Deutschland befasste. In der Wanderausstellung sprachen 20 jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion darüber, wie sie in Deutschland Fuß fassen konnten. »Dabei wurden völlig unterschiedliche Schicksale bekannt«, erzählt Ridder.

Nicht nur als Museum, sondern auch als Lehrhaus sieht sich das im Stadtzentrum liegende Museum. Die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen und Kindern sowie regelmäßige Bildungsarbeit auch für Erwachsene sorgen für eine positive Resonanz im Publikum. »Das Interesse ist groß«, betont Ridder. Dafür sprechen auch die 500 Mitglieder, die durch jährliche Zahlungen Unterstützung leisten.

Trotzdem gehörte bei den Feierlichkeiten Ende September zum Jahrestag auch das Verlesen von Droh- und Schmähbriefen, die mehrheitlich in den 90er-Jahren an das Museum gesendet worden waren, zum Programm. Sie erinnern an den leider immer noch existierenden Antisemitismus. Doch in den letzten fünf Jahren hätten sich solche Vorfälle nicht mehr ereignet, sagt Ridder.

Prominenz Zu den 200 Besuchern des Museumsfestes gehörte auch die stellvertretende Ministerpräsidentin des Landes NRW, Bildungsministerin Sylvia Löhrmann. Neben kulinarischen Köstlichkeiten gab es ein Klezmer-Konzert mit dem Ensemble von Roman Kuperschmidt. Das »Offene Haus«, wie es von seinen Mitarbeitern genannt wird, stand unter dem Motto »wenige Reden – viele Gespräche«.

Für die nächsten fünf bis zehn Jahre hat sich das Museum vorgenommen, den Generationenwechsel im Trägerverein und in der Aktivengruppe zu vollziehen, um Lebendigkeit zu erhalten. Finanziell wird an einer kontinuierlichen institutionellen Förderung gearbeitet, um Stellen zu besetzen, die das weiter vorhandene freiwillige Engagement bündeln und organisieren.

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