Familie Zeitband kommt aus einem für immer gezeichneten Ort: Seit 1780 seien sie in der polnischen Stadt Oswiecim ansässig gewesen, berichtet Jakob Zeitband. Er selbst wurde 1955 dort geboren. Neun Jahre später seien sie die letzten Juden gewesen, die die Stadt, in dem das frühere deutsche Vernichtungslager Auschwitz steht, verlassen haben.
Über seine Lebens- und Herkunftsgeschichte sprach Zeitband kürzlich in der Reihe »Kultur aus dem Hochbunker«. Niko Deeg moderierte das auf YouTube veröffentlichte Gespräch. Der Hanauer Kaufmann ist Vorstand der ebendort ansässigen Jüdisch-Chassidischen Kultusgemeinde Breslev Deutschland.
Ausstellung Die Begegnung fand im Hochbunker an der Friedberger Anlage statt, der im Zweiten Weltkrieg errichtet worden war. An seiner Stelle stand die 1907 eröffnete und von den Nazis zerstörte Synagoge der Israelitischen Religionsgesellschaft – einst die größte Synagoge Frankfurts. In dem geschichtsträchtigen Bunkergebäude ist mit »Ostend.
Blick in ein jüdisches Viertel« eine Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt zu sehen. Überdies zeigt der Verein »Initiative 9. November« die Ausstellungen Vom DP-Lager Föhrenwald nach Frankfurt in die Waldschmidtstraße und Jüdisches Leben in Deutschland heute mit Fotografien von Rafael Herlich.
Wegen der Corona-Pandemie ist der wuchtige Bau derzeit nicht öffentlich zugänglich. Herlich und Deeg sorgen dafür, dass jüdische Kultur und Geschichte dennoch weiterhin ihren Ort im Hochbunker haben – und dass viele daran teilhaben können. Ihr gemeinsames Projekt »Kultur aus dem Hochbunker« sei aus einem Telefonat entstanden, erzählt Niko Deeg.
Er habe Herlich, mit dem ihn eine enge Freundschaft verbinde, gefragt, ob er ein Videointerview über seine Fotoausstellung führen möchte. Herlich habe angeregt, weitere jüdische Künstler und Persönlichkeiten zu interviewen. Egal, wen er gefragt habe, alle hätten mit großer Freude zugesagt, berichtet Rafael Herlich.
Die Gespräche wurden in der Ausstellung aufgezeichnet. Das erste ging Mitte Juni online.
Die »Initiative 9. November« stellte die Räume im Hochbunker zur Verfügung. Die Beiträge der auf ehrenamtlicher Basis Beteiligten wurden in der Ausstellung aufgezeichnet. Die erste Folge der Reihe ging Mitte Juni online. Zum Auftakt sprach Frankfurts Bürgermeister und Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker.
Der CDU-Politiker geht auf den Ort und seine besondere Atmosphäre ein: »Er vermittelt menschliche Kälte, aber gleichzeitig auch Wärme und Zuversicht, wie sie Rafael Herlich hier hineingebracht hat.« Becker thematisiert auch die Gefahren des zunehmenden Judenhasses: »Der Antisemitismus ist das Gift, das das Miteinander unserer Gesellschaft zerstört.«
Auch ein Schiur des Frankfurter Gemeinderabbiners Avichai Apel ist auf der YouTube-Seite.
Auch ein Schiur des Frankfurter Gemeinderabbiners Avichai Apel ist auf der YouTube-Seite von »Kultur aus dem Hochbunker« abrufbar. In seinem Vortrag geht der Rabbiner unter anderem auf die historische Israelitische Religionsgesellschaft (IRG), eine neo-orthodoxe Austrittsgemeinde, ein, die in der einstigen Synagoge an der Friedberger Anlage ihr Domizil hatte. Der prächtige Bau bot Platz für 1600 Gemeindemitglieder.
lesung Apel würdigt zudem den orthodoxen Rabbiner Samson Raphael Hirsch, der in der IRG wirkte. In der Kulturreihe tritt auch die Moderatorin und Autorin Bärbel Schäfer auf. Sie liest aus dem Buch Meine Nachmittage mit Eva, das von ihren Begegnungen mit der Schoa-Überlebenden Eva Szepesi erzählt. Barbara Bišický-Ehrlich trägt einige Passagen aus ihrer 2018 erschienenen Familienchronik Sag, dass es dir gut geht vor.
Musikalische Beiträge runden das bereits verfügbare Programm des Online-Kulturformats ab. Gesangsvorträge der Frankfurter Kantoren Daniel Kempin und Yoni Rose sollen noch hinzukommen, ebenso ein Gespräch über Antisemitismus und Rassismus im Fußball, unter anderem mit Makkabi-Präsident Alon Meyer.
Publikum Niko Deeg hofft, dass später auch wieder Veranstaltungen mit Publikum möglich sein werden. Zudem seien Auftritte der beteiligten Künstler in Hanau geplant. Über das Zustandekommen des Projekts äußern sich Deeg und Herlich im Gleichklang: Sie seien sehr stolz.