Nach einem antisemitischen Vorfall an der Friedenauer Gemeinschaftsschule in Berlin-Schöneberg hat die Senatsbildungsverwaltung am Montag Aufklärung angekündigt. Die Polizei ermittelt, nachdem der Schulleiter Strafanzeige erstattet hatte. Das Opfer, ein jüdischer Schüler aus Großbritannien, hat die Schule bereits verlassen.
Der 14-Jährige soll zunächst beleidigt und später auch physisch angegriffen worden sein, berichtete die Mutter der britisch-jüdischen Zeitung »The Jewish Chronicle«. Die Schule wird vor allem von Kindern mit Migrationshintergrund besucht, darunter viele türkisch- und arabischstämmige Schüler.
Schulverwaltung »Wenn die Berichte stimmen, ist das ein erschütternder Vorgang«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster dem Berliner »Tagesspiegel« (Montagsausgabe). »Hier geht es um Antisemitismus übelster Art.« Schuster forderte die Berliner Schulverwaltung dazu auf, das Verhalten der Friedenauer Schulleitung genau zu untersuchen und Versäumnisse klar zu benennen.
»Wir setzen alles daran, den Vorfall aufzuklären«, sagte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Montag. Dazu sei die Antidiskriminierungsstelle des Senates eingeschaltet worden, die jetzt Gespräche mit allen Beteiligten führen soll.
Bushaltestelle Zwei Schüler hatten den 14-Jährigen nach Angaben seiner Mutter vor zwei Wochen an einer Bushaltestelle vor der Schule gewürgt. Außerdem wurde demnach mit einer Spielzeugpistole auf ihn geschossen, während andere Schüler angeblich dabeistanden und lachten. Einer der mutmaßlichen Täter war kurz zuvor von einer andere Schule verwiesen worden.
Bereits vor mehreren Monaten soll der Junge von Mitschülern beleidigt worden sein, nachdem er gesagt hatte, dass er Jude ist. Laut »Jewish Chronicle« soll einer seine Mitschüler geäußert haben: »Du bist eigentlich ein cooler Typ, aber ich kann mit dir nicht befreundet sein.« Außerdem sei die Aussage gefallen: »Alle Juden sind Mörder.«
Die Schulleitung hatte sich bereits am Wochenende auf der Website der Friedenauer Gemeinschaftsschule geäußert. »Zunächst einmal möchten wir unser Bedauern und Entsetzen kundtun, dass ein Schüler in seinem Schulalltag an unserer Schule Antisemitismus erfahren musste. Wir verlieren hier einen besonders engagierten und leistungsorientierten Schüler, der sich mit Freude für unsere Schule entschieden hat und diese als Chance für sich selbst und seine Entwicklung sah«, heißt es in dem Brief der Schulleitung.
Schulkonferenz Der aktuelle Fall sei der erste, bei dem das Kollegium der Friedenauer Gemeinschaftsschule das Problem des Antisemitismus wahrgenommen habe: »Was die derzeitigen Ereignisse betrifft, wurde gegen die an dem Vorfall beteiligten Schüler von der Schule Strafanzeige erstattet. Weiterhin werden an der Schule die Möglichkeiten für Ordnungsmaßnahmen nach dem Schulgesetz ausgeschöpft. Die Schulkonferenz wird den Antrag an die Schulaufsicht stellen, dass die betreffenden Schüler die Schule verlassen müssen. Der im o.g. Artikel zitierte Schüler besucht unsere Schule schon seit mehreren Wochen nicht mehr«, heißt es weiter in dem Schreiben.
Im Gespräch mit dem Berliner »Tagesspiegel« wies Schulleiter Uwe Runkel Kritik der Eltern, die Schule habe zu spät reagiert, zurück. Schon beim ersten Diskriminierungsvorfall, der zur Kenntnis gelangte, haben man die Großeltern des Schülers, Zeitzeugen des Holocaust, in die Klasse eingeladen, um dort das Thema mit den Klassenkameraden des betroffenen Schülers aufzuarbeiten, schrieb die Schulleitung auf ihrer Website.
Die Friedenauer Gemeinschaftsschule ist seit 2016 Teil des Netzwerks »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«. Sie ist keine reguläre Einzugsgrundschule. Schulpflichtige Kinder aus dem Umkreis des S-Bahnhofs Friedenau besuchen in der Regel entfernter gelegene Schulen in Schöneberg.
Rabbiner Ebenfalls in Berlin-Friedenau, mehrere Hundert Meter von der Schule entfernt, war 2012 Rabbiner Daniel Alter von mehreren mutmaßlich arabischstämmigen Jugendlichen vor den Augen seiner Tochter zusammengeschlagen worden. Die Ermittlungen der Polizei blieben ohne Ergebnis.
Zentralratspräsident Schuster appellierte an die muslimische Gemeinschaft, »den antisemitischen Tendenzen in ihren Reihen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten«. Es könne nicht angehen, »dass in einem Teil der Moscheen in Deutschland Judenfeindlichkeit und Israelfeindlichkeit aktiv Vorschub geleistet wird«.
www.gemeinschaftsschule-schoeneberg.de