Herr Rosenberg, Sie sind der Initiator des »Hinenu Jüdischer Studierendenverband Rheinland-Pfalz/Saarland«. Was hat Sie motiviert, ihn zu gründen?
Schon seit einigen Jahren bin ich in Kontakt mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD). Ich habe in Heidelberg, wo der Bund jüdischer Studierender Baden aktiv ist, meinen Bachelor gemacht. Ich komme aus der Südpfalz, wo wir nie so ein Äquivalent hatten. Als ich zur jüngsten Wahl des neuen JSUD-Vorstands nach Berlin fuhr, wurde mir wieder einmal bewusst, dass ich der einzige Student aus Rheinland-Pfalz bin, der dabei war, und dass wir so einen Verband auch im dort brauchen. Es kann nicht sein, dass es da keinen gibt.
Warum beide Bundesländer: Rheinland-Pfalz und das Saarland?
Ansonsten wären die Saarländer nicht repräsentiert. Mir wurde der Tipp gegeben, das Saarland mit dazu zu nehmen, denn da gab es auch keine Organisation für jüdische Studierende. Und wir haben es ja dann geschafft. Wir waren quasi der letzte Studierendenverband, der gegründet worden ist, und dadurch gibt es nun überall in der Bundesrepublik Ansprechpartner. In anderen Bundesländern gibt es ja schon lange jüdische Studierendenverbände. Auch die Kollegen in Ostdeutschland haben nun einen Verband gegründet, er heißt Jüdische Allianz Mitteldeutschland.
Ihr Verband heißt »Hinenu«. Was hat es damit auf sich?
Das ist Hebräisch: »Hier sind wir!« Es soll ein Statement sein, dass wir hier vor Ort präsent sind. Wir haben uns schon genug versteckt in Deutschland. Wir sollten selbstbewusster darangehen, als wir es bisher getan haben. Nun stehe ich da und sage: Ich bin jüdisch, ich lebe in der Pfalz, und das ist auch gut so.
Wann und wo fand die Gründung statt?
Am 15. November im Landtag von Rheinland-Pfalz. Wir hatten die Idee, den Landtag anzufragen. Und dann haben wir mit dem Landtagspräsidenten gesprochen, der gleich signalisierte, dass wir willkommen seien.
Wie viele Studierende haben sich Ihrem Verband mittlerweile angeschlossen?
Das Gute ist, es melden sich nach und nach immer mehr Leute. Inzwischen sind wir um die 20. Wir haben klein angefangen und haben einen Gründungsvorstand mit acht Leuten. Aber es kommen nach und nach Leute dazu, die mich anschreiben, weil sie davon gehört haben.
In welcher Gemeinde sind Sie aufgewachsen?
In Karlsruhe. Als Jugendlicher habe ich mich in der Gemeinde manchmal ein bisschen ausgegrenzt gefühlt. Viele sprechen nur Russisch. Ich fange jetzt erst an, die Sprache zu lernen. Mittlerweile bin ich in der Kultusgemeinde in Speyer sehr aktiv.
Welche Ziele verfolgt Ihr Verband?
Er soll eine Anlaufstelle sein. Für die Selbstverständlichkeit jüdischen Lebens ist es gerade bei Studierenden wichtig, dass die Gesellschaft beispielsweise für jüdische Feiertage sensibilisiert wird. Das Ziel ist die Förderung der jüdischen Identität seiner Mitglieder und die Völkerverständigung. Die Vereinsarbeit richtet sich insbesondere an die an jüdischer Religion und Kultur interessierten rheinland-pfälzischen und saarländischen Studierenden und jungen Erwachsenen.
Wer kann Mitglied werden?
Alle aus der Region im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Man muss nicht Gemeindemitglied sein, um mitmachen zu können. Wir sind inklusiv, auch patrilineare Juden sind willkommen. Allerdings muss man, um als ordentliches Mitglied akzeptiert zu werden, halachisch jüdisch sein. Aber es gibt eben auch die Option der außerordentlichen Mitgliedschaft, die ist für alle offen.
Treffen Sie sich regelmäßig?
Hauptsächlich online. Wir leben ja in einem riesigen Flächenland – da alle zusammenzukriegen, wird schwierig. Deswegen halten wir beispielsweise viele Vorstandssitzungen online ab. Jetzt haben wir die Idee, zu Purim ein großes Event aufzuziehen und planen für unsere Leute vor Ort einen großen Schabbaton.
Werden Sie sich politisch einmischen?
Wir sind ein studentisches Netzwerk. Wir möchten nicht die Politik der Gemeinden gestalten. Aber wir werden natürlich mit den Gemeinden reden, in Kontakt sein. Ich finde, auch wenn es Angebote für Jugendliche geben sollte, damit diese mehr in die Gemeinde kommen, sollten die Gemeindevertreter oder Mitarbeiter doch am besten erst einmal mit diesen reden. Dafür soll diese Plattform dann auch da sein. Wir wollen die Gemeinden ergänzen und haben ein offenes Ohr. »Kommt doch mit uns, und vielleicht finden wir gemeinsam Möglichkeiten, junge Leute in die Synagoge zu bringen«, das würde ich ihnen gern sagen.
Wie finanzieren Sie sich?
Mitgliedsbeiträge erheben wir nicht. Bei uns gibt es ja den Landesverband Rheinland-Pfalz, die Synagogengemeinde Saar und die Jüdische Kultusgemeinde in Rheinhessen. Mit denen sind wir im Austausch. Würden wir jetzt eine Veranstaltung planen, so würden sie uns finanziell unterstützen.
Mit dem Gründungsvorsitzenden des Studierendenverbands sprach Christine Schmitt.