Dokumentation

Jüdisch in Mecklenburg

Ein Gedenkbuch fasst 7200 Biografien zusammen

von Axel Seitz  01.03.2020 07:16 Uhr

Biografien und Schicksale auf 1500 Seiten Foto: PR

Ein Gedenkbuch fasst 7200 Biografien zusammen

von Axel Seitz  01.03.2020 07:16 Uhr

Adele Aaron war die Tochter von August und Luise Aaron. Geboren im April 1862 in Grevesmühlen, starb das Mädchen im September desselben Jahres. Diese Kurzbiografie ist die erste von insgesamt rund 7200, die in dem Buch Juden in Mecklenburg 1845–1945 enthalten sind.

Sigrid Fritzlar vom Landeshauptarchiv Schwerin und Michael Buddrus vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin haben rund viereinhalb Jahre an dieser umfassenden Darstellung jüdischen Lebens in Mecklenburg gearbeitet. Warum sie mit dem Jahr 1845 beginnen, erklärt Sigrid Fritzlar so: »1845 ist das Jahr, in dem in Mecklenburg die meisten Juden lebten, nämlich 4155.«

LEBEN Ziel der Dokumentation war es, ein vitales jüdisches Leben abzubilden und sich nicht auf die zwölf Jahre der nationalsozialistischen Diktatur zu beschränken. Nach 1845 gab es in Mecklenburg immer weniger Juden.

»In den 88 Jahren bis zum Beginn der NS-Zeit 1933 gab es bereits eine Abnahme von fast 80 Prozent«, betont Historiker Buddrus. »Sie taten das zumeist aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch, weil es bereits vor 1933 ein antijüdisches Klima gab«, ergänzt der Historiker.

Viele Juden waren schon vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ausgewandert.

Buddrus und Fritzlar werteten Akten aus mehr als 200 Archiven auf Kreis-, Landes- und Bundesebene sowie vom inzwischen aufgelösten Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen und von rund 260 Standesämtern aus. Hinzu kamen Deportationslisten sowie Einwanderungslisten beispielsweise aus China, Australien und Argentinien. Rund 98 Prozent aller Juden, die in dem von den beiden Historikern ausgewählten Zeitraum in Mecklenburg lebten, hoffen die Autoren der zwei insgesamt 1500 Seiten starken Bände erfasst zu haben.

Der eine Band enthält die Kurzbiografien mit zahlreichen überlieferten Fotos, der andere gibt einen umfassenden Überblick über das jüdische Leben mit detaillierten Angaben zu den einzelnen Gemeinden.

SYNAGOGE 1845 existierten 33 Gemeinden beispielsweise in kleinen Orten wie Rehna, Bad Sülze, Grabow und Dargun. 1871 gab es dann 45 Gemeinden, von denen fast alle auch über eine eigene Synagoge verfügten. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs bestanden allerdings nur noch acht jüdische Gemeinden unter anderem in Hagenow, Güstrow und Stavenhagen.

Nach der Schoa bestand ab 1948 wieder eine Jüdische Landesgemeinde Mecklenburg mit Sitz in Schwerin. 1994 gründeten jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion Gemeinden in Schwerin und Rostock. Ihr Gemeinderabbiner Yuriy Kadnykov würdigt das Buch als »eine Möglichkeit für jetzige und künftige Generationen, Verantwortung für eine offene Gesellschaft zu übernehmen und sich auf Spurensuche zu begeben«.

Und eben jüdische Mecklenburger kennenzulernen. Wie Franz Wronker, geboren 1881 in Neubrandenburg, gestorben 1939 im Alter von 58 Jahren in Australien, oder Thadeus Zajaz, geboren 1924 in Remplin, dessen Schicksal allerdings nicht bekannt ist.

Michael Buddrus, Sigrid Fritzlar: »Juden in Mecklenburg 1845–1945«. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2019, 1480 S., 30 €

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Uni Würzburg

Außergewöhnlicher Beitrag

Die Hochschule hat dem Zentralratspräsidenten die Ehrendoktorwürde verliehen

von Michel Mayr  20.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024